GHDI logo


Sowjetischer Grundriß eines Friedensvertrages – Erste „Stalin Note” (10. März 1952)

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verschärfen sich stufenweise die Spannungen zwischen den Westmächten und der Sowjetunion, bis der Kalte Krieg 1950 in Korea zum ersten Mal in eine militärische Konfrontation mündet. Bei den Westmächten wächst rasch die Bereitschaft, die ursprünglich vereinbarte dauerhafte Entmilitarisierung der Bundesrepublik zugunsten eines westdeutschen Verteidigungsbeitrags im europäischen Rahmen aufzugeben. Für die Bundesrepublik bedeutet dies im Gegenzug die Chance, wesentliche Einschränkungen ihrer staatlichen Souveränität zu überwinden. Allerdings wächst mit der festen Einbindung der Bundesrepublik in die westlichen Sicherheitsstrukturen die Gefahr einer dauerhaften Teilung Deutschlands.

Zwei Monate vor Abschluss des Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft versucht die Sowjetunion im März 1952, diese Entwicklung aufzuhalten. Stalin schlägt Verhandlungen zwischen den vier Siegermächten mit einer neu zu bildenden gesamtdeutschen Regierung über den im Potsdamer Abkommen von 1945 vorgesehenen Friedensvertrag vor. Der Preis für die in Aussicht gestellte Einheit Deutschlands und die Aufnahme in die Vereinten Nationen ist die politische und militärische Neutralität des Landes. Dies kommt in der Forderung nach dem Abzug aller ausländischen Streitkräfte und dem faktischen Verzicht auf den Beitritt zu Militärbündnissen zum Ausdruck.

Druckfassung     Dokumenten-Liste letztes Dokument im vorherigen Kapitel      nächstes Dokument

Seite 1 von 3


Erste Note der Sowjetregierung und Friedensvertragsentwurf, 10. März 1952


Die Sowjetregierung hält es für notwendig, die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika darauf aufmerksam zu machen, daß, obwohl seit Beendigung des Krieges in Europa bereits etwa sieben Jahre vergangen sind, immer noch kein Friedensvertrag mit Deutschland abgeschlossen wurde.

Um diesen anomalen Zustand zu beseitigen, wendet sich die Sowjetregierung, die das Schreiben der Regierung der DDR mit der an die Vier Mächte gerichteten Bitte um Beschleunigung des Abschlusses eines Friedensvertrages mit Deutschland unterstützt, ihrerseits an die Regierung der Vereinigten Staaten und an die Regierungen Großbritanniens und Frankreichs mit dem Vorschlag, unverzüglich die Frage eines Friedensvertrages mit Deutschland zu erwägen, damit in nächster Zeit ein vereinbarter Friedensvertragsentwurf vorbereitet und einer entsprechenden internationalen Konferenz unter Beteiligung aller interessierten Staaten zur Prüfung vorgelegt wird.

Es versteht sich, daß ein solcher Friedensvertrag unter unmittelbarer Beteiligung Deutschlands, vertreten durch eine gesamtdeutsche Regierung, ausgearbeitet werden muß. Hieraus folgt, daß die UdSSR, die USA, Großbritannien und Frankreich, die in Deutschland Kontrollfunktionen ausüben, auch die Frage der Bedingungen prüfen müssen, die die schleunigste Bildung einer gesamtdeutschen, den Willen des deutschen Volkes ausdrückenden Regierung fördern.

Um die Vorbereitung des Entwurfs eines Friedensvertrages zu erleichtern, legt die Sowjetregierung ihrerseits den Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs den beigefügten Entwurf für die Grundlagen eines Friedensvertrages mit Deutschland zur Prüfung vor.

Die Sowjetregierung schlägt vor, diesen Entwurf zu erörtern, und erklärt sich gleichzeitig bereit, auch andere eventuelle Vorschläge zu dieser Frage zu prüfen.

Die Regierung der UdSSR rechnet damit, in kürzester Frist eine Antwort der Regierung der USA auf den obenerwähnten Vorschlag zu erhalten.

Gleichlautende Noten hat die Sowjetregierung auch an die Regierungen Großbritanniens und Frankreichs gerichtet.



Der Entwurf für einen Friedensvertrag mit Deutschland hatte folgenden Wortlaut:


Seit Beendigung des Krieges mit Deutschland sind fast sieben Jahre vergangen. Jedoch hat Deutschland immer noch keinen Friedensvertrag. Es ist gespalten und befindet sich gegenüber anderen Staaten in einer nicht gleichberechtigten Situation. Diesem unnormalen Zustand muß ein Ende gemacht werden. Das entspricht dem Willen aller friedliebenden Völker. Ohne den schnellen Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland kann eine gerechte Behandlung der rechtmäßigen nationalen Interessen des deutschen Volkes nicht gewährleistet werden.

Der Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland ist von großer Bedeutung für die Festigung des Friedens in Europa. Ein Friedensvertrag mit Deutschland wird die endgültige Lösung der Fragen ermöglichen, die infolge des zweiten Weltkrieges entstanden sind. An einer Lösung dieser Fragen sind die europäischen Staaten, die unter der Hitleraggression gelitten haben, besonders die Nachbarn Deutschlands, zutiefst interessiert. Der Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland wird zu einer Besserung der internationalen Gesamtlage und damit zur Herstellung eines dauerhaften Friedens beitragen.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite