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Der aktuelle Stand der Entnazifizierung (31. Dezember 1950)

Der amerikanische Hochkommissar in Deutschland, John J. McCloy, zieht Ende 1950 eine positive Bilanz des Entnazifizierungsprozesses in der amerikanischen Zone. Er erinnert daran, dass es zunächst darum gegangen sei, die Nationalsozialisten von gesellschaftlichen Führungspositionen auszuschließen und durch Demokraten zu ersetzen. Da eine dauerhafte Diskriminierung von Millionen von Menschen im Interesse der Stabilität der deutschen Gesellschaft aber nicht erwünscht gewesen sei, habe man mit der zweiten Stufe der Entnazifizierung begonnen, in der sich alle erwachsenen Deutschen einem Verfahren vor einer deutschen Spruchkammer stellen mussten. McCloy räumt ein, dass diese Verfahren unter einer Reihe von Problemen litten, bewertet ihre Ergebnisse aber insgesamt positiv und sieht ihr Hauptziel, die Auseinandersetzung der Deutschen mit ihrem Verhalten im „Dritten Reich“ und die Reintegration der Minderbelasteten in die Gesellschaft, als erreicht an.

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Der aktuelle Stand der Entnazifizierung


Die vier für die Besetzung und den friedlichen Wiederaufbau des besiegten Deutschlands verantwortlichen alliierten Mächte waren von Anfang an dazu entschlossen, Deutschland vom Nazismus zu säubern. Zu diesem Zweck wurde vereinbart, dass ehemalige Mitglieder der Nazi-Partei und Kollaborateure, „die mehr als nur namentliche Teilnehmer an deren Aktivitäten“ waren, von öffentlichen und anderen einflussreichen Posten ausgeschlossen werden und gesetzlichen Sanktionen unterliegen sollten. Um diese Absichten zu erreichen, verabschiedete der Alliierte Kontrollrat zwei grundsätzliche Erlasse: die Direktive Nr. 24 vom 12. Januar 1946 bezüglich „Entfernung von Nazis und Personen, die den Absichten der Alliierten feindlich gegenüberstehen aus ihren Ämtern und verantwortlichen Positionen“ und die Direktive Nr. 38 vom 12. Oktober 1946 bezüglich „Die Verhaftung und Bestrafung von Kriegsverbrechern, Nazis und Militaristen und die Internierung, Kontrolle und Überwachung potenziell gefährlicher Deutscher“. Diese Direktiven blieben solange ohne rechtliche Auswirkungen, bis sie durch Zonengesetze oder anderweitige Erlasse implementiert würden.

Die Verantwortung für die Ausführung der Vereinbarungen und Direktiven zur Entnazifizierung wurde vom Militär und später von den alliierten zivilen Behörden in deren jeweiligen Zonen Deutschlands übernommen. In den amerikanischen, britischen und französischen Zonen unterschieden sich die Vorgehensweisen etwas voneinander, allgemein orientierten sie sich jedoch eng an dem Geist der vereinbarten Direktiven. In der sowjetischen Zone war der Gang der Entnazifizierung stark von dem Drang beeinflusst, die Bevölkerung zu Kommunisten zu machen. Viele ehemalige Nazis, obwohl ernsthaft belastet, wurden von der Anklage gegen sie freigesprochen und unter der Bedingung, dass sie sich in der aktiven Unterstützung für das kommunistische Regime engagieren, wieder in einflussreichen Positionen eingesetzt. Trotzdem haben die Sowjets nie aufgehört, ihre fortbestehende Entschlossenheit zu beteuern, den Nazismus aus dem deutschen System zu entfernen.

Die Zielvorstellung der Entnazifizierung war nicht das Erreichen eines Endzieles innerhalb einer bestimmten Zeit, nach der man sagen könnte: „Die Arbeit ist vollbracht; Deutschland ist jetzt entnazifiziert.“ Sie lag vielmehr darin, die neue deutsche Demokratie vor Nazi-Einfluss zu bewahren und es Anti-Nazis, Nicht-Nazis und freimütigen demokratischen Individuen zu ermöglichen, in das öffentliche Leben einzusteigen und diejenigen Nazi-Elemente zu ersetzen, die von 1933 bis 1945 alles Leben in Deutschland dominierten.

Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die Nazi-Partei samt ihrer Verbände und verbundenen Organisationen von den Besatzungsmächten abgeschafft, gesetzlich verboten und die für deren Tätigkeit verantwortlichen Individuen von einflussreichen Positionen sowohl im öffentlichen als auch im Privatleben entfernt. Es war dann für Deutsche, die keine Nazis waren, möglich, in die vielen Bereiche der kommunalen, wirtschaftlichen und politischen Tätigkeiten zu gelangen, um das deutsche Leben auf demokratischen Grundsätzen wiederaufzubauen. Die ersten Schritte dieses Programms waren im Wesentlichen im Sommer 1946 erreicht.

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