GHDI logo


Wilhelm Marr, Der Sieg des Judenthums über das Germanentum (März 1879)

Wilhelm Marr (1819-1904) ist bekannt für die Prägung des Begriffs „Antisemitismus“ in den 1870er Jahren. Er trug damit zu einem neuen Wortschatz bei – einem, mit dem sich die jahrhundertealte Feindschaft gegenüber den Juden wirkungsmächtig ausdrücken ließ. Marr selbst hatte eine wechselvolle Vergangenheit. Er trat in seinen Zwanzigern für kommunistische Ideale ein und nahm an den revolutionären Ereignissen von 1848/49 teil. Zuvor, als er in Hamburg lebte, hatte er begonnen, scharf antisemitische Ansichten zu bekunden. Er arbeitete als Herausgeber mehrerer Zeitungen und Zeitschriften, von denen nahezu alle finanzielle Misserfolge waren. Die folgende Textpassage ist seinem Buch aus dem Jahr 1879 entnommen, das vorgibt, den „Sieg“ des Judentums über das Germanentum zu dokumentieren. Dieses Manuskript wurde im Februar und März 1878 verfasst und lag ein Jahr lang bei dem Verleger Rudolph Costenoble, bis es schließlich Ende März 1879 erschien. Doch dann wurde es ein sofortiger Verkaufsschlager, der im ersten Jahr zwölf Auflagen erlebte. Dieser Auszug verdeutlicht den säkularen Ton von Marrs Antisemitismus und Kulturpessimismus. Im Gegensatz zu vielen anderen antisemitischen Abhandlungen postuliert Marrs Analyse der „jüdischen Frage“ „den welthistorischen Triumph des Judentums“ und verkündet „die Nachricht eines verlorenen Kampfes“. Sein Text schließt mit den schallenden Worten „Finis Germaniae!” („Deutschlands Ende!“). Marrs politische Leistungen reichten nie an seine Ambitionen heran. Spätestens seit Ende der 1880er Jahre wurde er als Überbleibsel der Gründergeneration des modernen Antisemitismus betrachtet. Diese Einschätzung kam in Marrs privatem Briefwechsel mit einem jüngeren, radikaleren Antisemiten, Theodor Fritsch, zum Ausdruck, der in einem der folgenden Einträge aufgeführt ist.

Druckfassung     Dokumenten-Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument

Seite 1 von 3


Vorwort

Was ich mit dieser Schrift beabsichtige, ist weniger eine Polemik gegen das Judenthum, als die Constatirung einer kulturgeschichtlichen Thatsache.

Wo immer die Verhältnisse zu einem polemischen Ton der Sprache zwingen, kann und muss derselbe nur als «Schmerzensschrei» Unterdrückter aufgefasst werden.

Ein resignirter «Pessimismus» fliesst aus meiner Feder.

Denkt, «es muss auch solche Käuze geben» und seid überzeugt, Niemand freut sich mehr als ich selber, wenn die von mir berührten Thatsachen ad absurdum geführt werden können.

Angegriffen sind die Juden und das Judenthum schon unzählige Male in der Literatur. Aber durchweg vom Standpunkt unserer nichtjüdischen Selbstüberschätzung; ich möchte sagen, in grossprahlerischem Gambetta’schen Rückzugsstyl. Zu dem ehrlichen, offenen Eingeständniss, dass Israel eine Weltmacht allerersten Ranges geworden ist, hat es unser Dünkel noch nicht gebracht. Wir haben wohl die Juden. aber – uns selbst nicht erkannt.

Auf Originalität wird diese Schrift also jedenfalls Anspruch machen dürfen. Frei von all und jedem confessionellen Vorurtheil geschrieben, lässt sie Euch nur in den Spiegel einer kulturgeschichtlichen Thatsache blicken und es ist nicht die Schuld des «Pessimisten», wenn Euch der Spiegel – Sclaven zeigt.

Ich wünsche dieser Schrift zweierlei.

1) Dass sie von der jüdischen Kritik nicht todtgeschwiegen,

2) dass sie nicht mit den sattsam bekannten suffisanten Redensarten abgefertigt werde.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite