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Gründungsmanifest des Evangelischen Bundes (1887); Mitgliederstatistiken (1887-1913)

Der Evangelische Bund war eine antikatholische Propagandaorganisation, die erstmals aktiv wurde, nachdem der Kulturkampf zwischen dem preußischen Staat und der katholischen Kirche nachzulassen begann. Das Manifest des Bundes vom 15. Januar 1887 erklärt den Kampf gegen den Ultramontanismus – die Dominanz des Vatikans über die katholische Kirche in Deutschland – zu einem seiner Ziele. Man nannte die Verfechter der päpstlichen Autorität im 19. Jahrhundert „Ultramontane“, weil Rom aus der Perspektive der Nordeuropäer ultra montes, also jenseits der Alpen liegt. Ein weiteres ausdrückliches Ziel war die Stärkung und Einigung der protestantischen Kirche – ein im wilhelminischen Zeitalter offensichtlich von hunderttausenden Mitgliedern geteiltes Anliegen.

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Evangelischer Bund zur Wahrung der deutsch-protestantischen Interessen.
An unsere Glaubensgenossen in ganz Deutschland!


Die deutsche evangelische Kirche und mit ihr unser deutsches Vaterland sind von schweren Gefahren bedroht. Durch den sogenannten Kulturkampf und die Art seiner Beilegung sehen wir die Macht des Romanismus aufs höchste gesteigert. Rührig und mit zäher Beharrlichkeit, unter Benutzung aller dem deutschen Wesen entgegenwirkenden Strömungen, verfolgt dieser seine Ziele. Die Zugeständnisse, welche er den deutschen Regierungen abgerungen hat, bieten ihm nur neue Mittel des Angriffs. Auch die größere Mäßigung und die Friedfertigkeit, welche er jetzt zur Schau trägt, dienen ihm zur Gewinnung weiterer Vortheile. Die größten Einbußen hat der Protestantismus jedesmal dann erlitten, wenn die Hierarchie sich auf den Friedensfuß mit der Staatsgewalt zu setzen wußte.

Wir fürchten den Feind nicht. Der Herr Jesus Christus, das alleinige Haupt der Kirche, sitzt im Regiment. Sein Wort der frei und selig machenden Wahrheit ist uns Schwert und Schild, und unser Glaube an ihn ist der Sieg, der die Welt überwunden hat! — Wir wissen auch wohl: um den drohenden Gefahren zu begegnen, kommt es in erster Linie darauf an, daß jeder Bekenner des Evangeliums in seiner Weise und nach seinem Berufe sich die Pflege und Vertheidigung evangelischen Glaubens und Lebens angelegen sein läßt. Was in solcher Weise theils zum Aufbau theils zur Abwehr von einzelnen Männern, welche die Waffen des Geistes zu führen wissen, und von Vereinen bisher schon geschehen ist, achten wir hoch. Aber es hieße die Gefahr unterschätzen und unsere Pflicht verkennen, wenn wir meinten, es sei damit genug gethan.

Der machtvollen Einheit Roms steht die deutsch-evangelische Christenheit in trauriger Zerrissenheit gegenüber. Die Landeskirchen, in welche sie zerfällt, sind durch ein so loses Band verknüpft und im Uebrigen so sehr gegen einander abgeschlossen, daß das evangelische Gemeinbewußtsein verkümmert.

Noch viel verderblicher ist der Parteihader, welcher die besten Kräfte verzehrt und eine gedeihliche positive Entwicklung des deutschen Protestantismus lähmt. Während wir uns über innerkirchliche Fragen entzweien, schreitet der Feind, der uns zu vernichten strebt, unaufhaltsam vor. — Dazu hat er in unserm eigenen Lager gefährliche Bundesgenossen. Die in vielen und einflußreichen Kreisen verbreiteten falschen Paritäts- und Toleranz-Begriffe leisten ihm willkommene Hilfe, und der Materialismus, in welchen ganze Schichten unseres Volkes versunken sind, nicht minder aber der religiöse Indifferentismus bahnen ihm den Weg zur Herrschaft.

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