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Von den Alliierten entschlüsselte Funknachrichten zwischen Ernst Kaltenbrunner (Berlin) und Herbert Kappler (Rom) (11. Oktober 1943)

Bis 1943 befanden sich Italiens rund 51.000 Juden in relativer Sicherheit. Auf Drängen Hitlers hatte das faschistische Regime unter Diktator Benito Mussolini (1883-1945) zwar eine Reihe diskriminierender Gesetze erlassen, aber die italienische Regierung hatte sich geweigert, ihre jüdische Bevölkerung an die deutsche Vernichtungsmaschinerie abzugeben. Nach der Landung alliierter Truppen auf Sizilien im Juli 1943, dem Zerfall des Mussoliniregimes und der anschließenden deutschen Invasion Nord-und Mittelitaliens verlor die jüdische Bevölkerung jedoch ihren bisherigen staatlichen Schutz. Die folgende Funknachricht zwischen Ernst Kaltenbrunner (1903-1946), dem Nachfolger Reinhard Heydrichs als Chef des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA), und Herbert Kappler (1907-1978), dem Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Rom, veranschaulicht die Obsession des NS-Regimes, Europas Juden vollständig zu vernichten. Wenige Tage später, am 16. Oktober 1943, begann Kappler die italienische „Evakuierungsaktion”. Bis zum Kriegsende gelang es den Nazis, rund 10,000 italienische Juden nach Auschwitz-Birkenau zu deportieren, wo die meisten von ihnen getötet wurden.

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BERLIN an ROM
10.11.43

An KAPPLER. Es ist genau die sofortige und gründliche Auslöschung der Juden in ITALIEN, die im besonderen Interesse der gegenwärtigen innenpolitischen Lage und der allgemeinen Sicherheit in ITALIEN liegt. Ein Aufschieben der Vertreibung der Juden bis zur Entfernung der CARABINIERI und der italienischen Armeeoffiziere kommt ebenso wenig in Betracht wie die ins Gespräch gebrachte Idee, die Juden in ITALIEN zu einer wahrscheinlich sehr unproduktiven Arbeitsleistung unter der verantwortlichen Leitung der italienischen Behörden aufzurufen. Je länger die Verzögerung desto eher werden die Juden, die zweifellos mit Evakuierungsmaßnahmen rechnen, Gelegenheit haben, in die Häuser judenfreundlicher Italiener zu ziehen und so vollends zu verschwinden. [Das korrupte] ITALIEN [wurde] angewiesen, die RFSS-Befehle auszuführen und unverzüglich mit der Evakuierung der Juden zu beginnen.

KALTENBRUNNER. Ogr.


BERLIN an ROM
10.11.43

Ihre W/T Meldung Nr. 58 vom 8/10/43. Gesamtes Kommando SKORZENY ist gegenwärtig auf Sonderurlaub. Wird nach SKORZENYS Rückkehr sofort erledigt. Bitte an Hauptmann SCHACHT weiterleiten.


BERLIN an ROM
10.11.43

Diese neulich an Ihre Einheit abkommandierten Leute aus BOZEN, die nicht mehr für bevorstehende Aufgaben gebraucht werden, sollen mit der Bahn nach GOEBEL, FLORENZ, HOTEL MINERVA geschickt werden. 2) Bezüglich der bevorstehenden Evakuierung des italienischen Ministeriums wird daran erinnert, dass die Dokumente des Ministeriums seit 1863 nicht veröffentlicht wurden, und Italien die einzige europäische Großmacht ist, die diesen Weg einschlug, und dass es deshalb eine Frage großer politischer und historischer Bedeutung ist, diese zu erhalten und der sofortigen Begutachtung durch deutsche Historiker zuzuführen.

Dr. HARSTER



Quelle: Von den Alliierten entschlüsselte Funknachrichten zwischen Ernst Kaltenbrunner (Berlin) und Herbert Kappler (Rom) (11. Oktober 1943), U.S. National Archives and Records Administration, College Park, MD, Record Group 226, Entry 112, Misc. X-2 Files, Box 1, Folder 5, Italian Decodes.

Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche von Erica Fischer

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