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Frieden und Menschenrechte (1986)

Nachdem im November 1985 ein von verschiedenen Friedenskreisen in Ost-Berlin geplantes Menschenrechtsseminar auf Druck des Ministeriums für Staatssicherheit kurzfristig abgesagt wurde, entschlossen sich die Mitglieder des Vorbereitungskreises Wolfgang Templin, Ralph Hirsch und Peter Grimm, zur allgemeinen Diskussion über Menschenrechte aufzurufen. Damit machten sie einen entscheidenden Schritt weg von einer reinen Friedensbewegung hin zu einer allgemeinen Opposition gegen die SED-Diktatur. Templin, Hirsch und Grimm waren in der „Initiative Frieden und Menschenrechte“ (IFM) aktiv, die in den folgenden Jahren zu einer der wichtigsten Oppositionsgruppen in der DDR wurde. Doch auch innerhalb der Friedensbewegung gab es Differenzen, vor allem darüber, wie sie organisiert und repräsentiert sein sollte, wie der zweite Text zeigt.

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I. Sprecher der Initiative „Frieden und Menschenrechte“ (Menschenrechtsseminar)


Liebe Freunde!

In der Friedensbewegung wächst das Bewußtsein für den engen Zusammenhang von Frieden und Menschenrechten. Viele Erfahrungen der letzten Jahre belegen, daß die Ziele von Friedensarbeit von der Durchsetzung demokratischer Grundrechte und -freiheiten abhängig sind. Über die Köpfe der Betroffenen hinweg wird in beiden Blöcken angespannt weitergerüstet, werden Verhandlungen hinter verschlossenen Türen geführt und die Aktivisten der Friedensbewegung verfolgt und teilweise kriminalisiert. Bei diesen Praktiken stehen die „westlichen Demokratien“ um nichts unseren Regierenden nach. Das ist der Stand der Erfahrungen – umgehen konnten wir damit kaum. Zu wirklicher Arbeit auf dem Gebiet der Menschenrechte kam es bei uns bisher nicht, von Reaktionen auf Einzelfälle und spontaner Betroffenheit abgesehen. Die Initiative zu einem Menschenrechtsseminar ging im Sommer letzten Jahres von Personen verschiedener Berliner Friedenskreise aus. Auf einem ersten Treffen sollten gemeinsame Erfahrungen diskutiert, Arbeitsmöglichkeiten zu Menschenrechtsfragen geprüft und Kontakte geknüpft werden. Die vorgeschlagenen Themen und Schwerpunkte waren als Diskussionsanstöße gedacht und sollten spätere Arbeitsergebnisse vorbereiten. In unserer Stellungnahme zur einstweiligen Absage des Menschenrechtsseminars vom 16.11.1985 und dem Brief an die Synode der Berlin-Brandenburgischen Landeskirche sind die Auseinandersetzungen um das Verbot des Seminars dokumentiert.

Mit dieser Situation war unsere Verantwortung für das Zustandekommen eines Menschenrechtsseminars und für weitere Arbeit zu diesem Themenkomplex nicht aufgehoben. Im Vorbereitungskreis wurden weitere Arbeitspunkte diskutiert und festgelegt, es bildeten sich dazu Arbeitsgruppen, in denen Mitglieder verschiedener kirchlicher und autonomer Friedenskreise zusammenarbeiteten. Mit diesem Stand wollen wir Euch vertraut machen.

Arbeitsschwerpunkte und Arbeitsgruppen:

• Frieden und Menschenrechte
• Recht auf Arbeit als grundlegendes Menschenrecht
• Menschenrechte und Gesellschaft (historische Entwicklung)
• Menschenrechte und Justiz
• Kirche und Menschenrechte
• Menschenrechte und Erziehung – Jugend
• Perspektiven der Menschenrechtsarbeit in der DDR
• Umwelt, Gesundheit und Menschenrechte
• Menschenrechte im militärischen Bereich

Bei all diesen Schwerpunkten wollen wir uns auf die Situation und Entwicklung im eigenen Land konzentrieren, was die Auseinandersetzung mit Menschenrechtsproblemen sowie die Zusammenarbeit und Solidarität mit Menschenrechtsinitiativen in anderen Ländern nicht ausschließt.

Wir streben eine DDR-weite Arbeit auf diesem Gebiet an. Gegenwärtig sind Vertreter aller genannten Arbeitsschwerpunkte und -gruppen in einem Vorbereitungskreis aktiv, der sich in Berlin trifft und regelmäßig die inhaltliche und organisatorische Arbeit koordiniert.

Der Vorbereitungskreis „Frieden und Menschenrechte“ wird durch drei Sprecher nach außen vertreten, die in jährlichen Abständen rotieren. Wir wünschen und erhoffen von Euch Ideen, Kritiken, Material und Mitarbeit. Die derzeitigen Sprecher sind: Wolfgang Templin, Ralph Hirsch, Peter Grimm.

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