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Dialog zwischen SPD und SED (11. September 1988)

Ein Jahr nach einer umstrittenen gemeinsamen Erklärung von SPD und SED, in der beide Seiten ihren Willen zum friedlichen Systemwettbewerb und zum Dialog betonten, bilanziert Erhard Eppler in einem Interview des Deutschlandfunks kritisch deren Rezeption in beiden deutschen Staaten.

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Beziehungen zwischen SPD und SED. Interview mit Dr. Erhard Eppler im Deutschlandfunk
von Karl Wilhelm Fricke


DLF: Gegenstand dieses Interviews sollen die Beziehungen von SPD und SED sein. Ausgangspunkt ist jenes Grundsatzpapier, das SPD und SED, genauer gesagt: die Grundwerte-Kommission der SPD und die Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim Zentralkomitee der SED gemeinsam ausgearbeitet und vor einem Jahr veröffentlicht haben. Der Titel »Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit«. Sie, Herr Dr. Eppler, haben entscheidend an diesem Papier mitgearbeitet. Würden Sie nach den politischen Erfahrungen des zurückliegenden Jahres Ihre Unterschrift heute wieder daruntersetzen?

Eppler: Wenn ich mir das genau überlege, sage ich nach kurzem Zögern ja. Ich würde das noch einmal tun, obwohl manche Hoffnungen, die wir mit diesem Papier verbunden haben, sich bislang nicht erfüllt haben.

DLF: Der Grundgedanke des Dokuments, wenn ich das in meinen Worten wiedergeben darf, besteht in der Erkenntnis, daß der Frieden im nuklearen Zeitalter nicht mehr gegeneinander errüstet, sondern nur noch miteinander vereinbart werden kann. Daraus ergibt sich für die beiden Partner die Folgerung, daß das gemeinsame Ringen um Frieden auch neue Formen der politischen Auseinandersetzung bedingt: Dialogbereitschaft, Kultur des ideologischen Streits, wobei jede Seite der anderen Existenzberechtigung, Friedensfähigkeit, Reformfähigkeit zubilligt. Haben nicht aber, und das ist meine Frage, Äußerungen führender Ideologen und Politiker der SED, ihre nachträglichen Uminterpretationen, diesen Konsens grundsätzlich in Frage gestellt?

Eppler: Herr Fricke, Sie haben in wenigen Sätzen tatsächlich das Wichtigste an diesem Papier noch einmal rekapituliert. Uns war von Anfang an klar, daß es in diesem Papier Stellen gibt, die einem geschulten Marxisten-Leninisten einiges Bauchgrimmen verursachen mußten. Wir können feststellen, daß das Politbüro der SED dieses Papier gebilligt, seine Veröffentlichung im »Neuen Deutschland« veranlaßt hat. Daß inzwischen alle möglichen Interpretationen gelaufen sind, solche, die wir als legitim hinnehmen konnten, und solche, die wir nicht als legitim hinnehmen konnten . . .

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