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Dokumente - Wirtschaftliche und politische Integration

In den fünfziger Jahren war die Bedeutung der europäischen Integration für die deutsche Außenpolitik durchaus noch umstritten, doch ein Jahrzehnt später gehörte sie zum Credo der Politiker aller wichtigen politischen Parteien, auch wenn die thematischen Schwerpunkte unterschiedlich waren. Die Integration der Bundesrepublik in den Verband der Europäischen Gemeinschaft (EG) erleichterte eine graduelle Ausweitung ihrer internationalen Rolle nach dem Zweiten Weltkrieg und festigte ihre Westbindung (Dok. 4). Unter den Regierungen von Adenauer, Brandt und Schmidt wurden wichtige europäische Politikinitiativen umgesetzt. Für Helmut Kohl, der in nächster Nähe zu Frankreich aufgewachsen war, wurde die enge Vernetzung von europäischer und deutscher Geschichte Grundaxiom deutscher Politik und die Europapolitik ein wesentlicher Bestandteil seiner Außenpolitik (Dok. 1).

Die in den fünfziger Jahren gegründeten europäischen Institutionen (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Euratom) schlossen sich 1965 zur EG zusammen. Die EG konnte beträchtliche Erfolge im Abbau von Handelsrestriktionen vorweisen, doch stagnierten die Entwicklungen sowohl in der wirtschaftlichen wie in der politischen Integration in den sechziger Jahren. Während der französische Präsident Charles de Gaulle ein Europa anstrebte, in dem die Interessen der nationalen Regierungen im Vordergrund standen, favorisierte die Bundesrepublik von Anfang an ein integriertes Europa mit einer Übertragung von Funktionen an überregionale Behörden; das französische Modell des Europa der Vaterländer kontrastierte mit dem deutschen Modell eines föderalen Europas (Dok. 2). Die ambivalente Haltung Großbritanniens gegenüber dem Projekt Europa verlor auch nach deren Mitgliedschaft im Jahre 1973 nicht an politischer Brisanz (Dok. 5).

Die Spannung zwischen Gemeinschafts- und nationalen Interessen zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der europäischen Einigung. So verdeutlichten beispielsweise die Verhandlungen zur Aufnahme von Portugal und Spanien nicht nur die stabilisierende Rolle der EG auf neue Demokratien, sondern auch die Mühseligkeit der Verhandlungen, bei denen nationale Interessen – vor allem im privilegierten Agrarbereich – verteidigt wurden (Dok. 10). Die gezielte Bündelung nationaler Interessen konnte aber auch bedeutende Fortschritte in europäischen Belangen erzielen. Insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Bonn und Paris wurde zum Gradmesser des europäischen Integrationsprozesses. So wurden unter der Federführung des französischen Präsidenten Valery Giscard d’Estaing und Bundeskanzler Helmut Schmidt das Europäische Währungssystem und die Direktwahl zum Europäischen Parlament eingeführt (Dok. 7 und Dok. 8). Die deutsch-italienische Initiative der Einheitlichen Europäischen Akte aus dem Jahre 1981, die später gemeinsam von Bundeskanzler Helmut Kohl und dem französischen Kommissionspräsidenten Jacques Delors lanciert wurde, trug wesentlich zu einer Wiederbelebung der EG in den achtziger Jahren bei. Mit ihr rückte die seit langem geplante Gründung eines Gemeinsamen Marktes in Reichweite. Entscheidungsmechanismen wurden reformiert und eine Wirtschaftsunion diskutiert (Dok. 9 und Dok. 11).

Die internationale Bedeutung und die Anziehungskraft der EG für andere Länder nahmen zu. Gleichzeitig wurde die EG in den Mitgliedsstaaten kritischer unter die Lupe genommen und Reformunfähigkeit und Demokratiedefizite beklagt (Dok. 13 und Dok. 14). Im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten waren westdeutsche Bürger weder besonders euroskeptisch noch besonders eurofreundlich. Sie begrüßten mehrheitlich die Mitgliedschaft in der EG; inwieweit diese Mitgliedschaft auch konkrete Vorteile für die Bundesrepublik brachte, war dagegen umstritten (Dok. 15).

Wie die Bundesrepublik in der EG, so war die DDR innerhalb des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) zweifelsohne eines der „reichen“ Länder. Kein anderes Land im RGW-Verbund war ähnlich eng mit der sowjetischen Wirtschaft verflochten wie die DDR (Dok. 12). Der RGW, dem die DDR seit 1950 angehörte, war von Anfang an ein Mittel sowjetischer Außenpolitik, auch wenn der sowjetische Parteichef Nikita Chruschtschow 1962 die Idee einer integrierten Wirtschaftsplanung nicht durchsetzen konnte; die verkündete internationale sozialistische Arbeitsteilung musste sich mit Koordinationsmechanismen begnügen (Dok. 3). Das Ziel einer „sozialistischen ökonomischen Integration“ wurde seit den siebziger Jahren verstärkt verfolgt. Ein entsprechendes „Komplexprogramm“ wurde verabschiedet und das Gründungsstatut revidiert, um die Rolle des RGW auch international aufzuwerten (Dok. 6). Weder politisch noch wirtschaftlich, weder international noch national konnte sich der RGW an der EG messen. Offizielle Beziehungen zwischen dem RGW und der Europäischen Gemeinschaft bahnten sich erst 1988 an, wurden aber durch die Ereignisse des Jahres 1989 schnell hinfällig. Am 28. Juni 1991 wurde der RGW offiziell aufgelöst.

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