Wie viele sozialkonservative Zeitgenossen, betrachteten die Nationalsozialisten die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen seit dem Ersten Weltkrieg als Keim des gesellschaftlichen Verderbens. Fallende Geburtenraten, steigende Scheidungsraten, spätere Eheschließungen und die Zunahme an erwerbstätigen Frauen waren angeblich Symptome einer kranken Gesellschaft. Vordergründig propagierte das NS-Regime deshalb eine Rückbesinnung auf patriarchalische Werte und Geschlechterrollen. Frühe Heirat und Großfamilien wurden zum Ideal erhoben. Frauen sollten sich ausschließlich um Heim und Kinder kümmern, während Männer den Unterhalt verdienten. Tatsächlich ging es dabei weniger um das angebliche Idyll der traditionellen Gesellschaftsordnung als um die zentrale Stellung der Familie im militärisch-rassischen Weltbild des NS-Regimes. Durch frühe Eheschließungen und hohe Geburtenraten sollte die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Volkes im währenden Kampf mit „minderwertigen“ Rassen gewährleistet bleiben, d.h. die Familie als „Keimzelle der Nation“ diente hauptsächlich der Erzeugung und Erziehung künftiger Generationen von Soldaten. Die Arische Familie (ohne Datum) ist ein Druck nach einem Gemälde von Wolfgang Willrich. Die hier abgebildete Familie entspricht dem „arischen“ Ideal. Die sechs dargestellten blonden Familienmitglieder „nordischen Typs“ mit den entsprechend kräftigen Gesichtszügen und rosigen Wangen könnten durchaus der Propagandaschrift „Blut und Boden“ entstammen. Die Kleidung des Jungen im Vordergrund identifiziert ihn als Mitglied der Hitler-Jugend, während die Trachtenkleidung der anderen sie der ländlichen Bevölkerung zuordnet, die vom NS-Regime stark idealisiert wurde. Das Bild ist reich an Symbolen harter Arbeit, Fruchtbarkeit, Gesundheit und Kraft sowie der Verwurzelung mit der Heimat. Das Haus der Familie, ein Fachwerkhaus mit Reetdach, ist ein typisches Beispiel für die von den Nazis gefeierte völkische Architektur und stellt insofern einen passenden Hintergrund für dieses idyllische Familienporträt dar.