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Brandanschlag auf türkische Familien in Mölln (24. November 1992)

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„Meine Kinder, die verbrennen!“
Für drei Menschen gibt es kein Entrinnen nach dem Brandanschlag in Mölln



Irgend jemand hat Blumen hingestellt, dunkelrote Nelken und weiße Margeriten darunter. Lose zusammengebunden lehnen sie dort, wo einmal die Schaufensterauslage war. Bis vor zwei Jahren befand sich hier ein türkisches Lebensmittelgeschäft, danach war das Gebäude nur noch Wohnhaus. Jetzt ist das Glas des Schaufensters zertrümmert, Schaufel, Besen und Schutt liegen vor dem Haus, nahe dem rauchgeschwärzten Eingang stehen zwei große schwarze Ledertaschen, wahrscheinlich von der Kripo. In einer Gondel am Ende einer ausgefahrenen Feuerwehrleiter schweben zwei Feuerwehrmänner über dem von Ziegeln entblößten, von Qualm geschwärzten Dachgestühl.

Dies ist das Haus Nummer neun in der Mühlenstraße von Mölln, ein hellgetünchtes Backsteingebäude. Es liegt mitten im Zentrum des Städtchens, das mit seinen roten Ziegelsteinbauten und Pflasterstraßen durchaus taugt als Abziehbild einer deutschen Provinzidylle und das mit Till Eulenspiegel auch einen passenden Schutzpatron sich erwählt hat. Von der Mühlenstraße sind es nur ein paar hundert Schritte bis zur vorweihnachtlich dekorierten Hauptstraße und zum Marktplatz.

In der Mühlenstraße Nummer neun wohnte bis Sonntag nacht seit mehr als 20 Jahren eine türkische Großfamilie mit Namen Arslan, zuletzt rund 25 Personen. „Die waren immer nett und zuvorkommend“, sagt Erika Fröhlich, eine 70jährige Nachbarin. „Mit denen haben wir nie Ärger gehabt, im Gegenteil.“ Hilfe erfuhr die gehbehinderte alte Dame von den türkischen Nachbarn, beim Schneeschippen beispielsweise. Darum ist für Erika Fröhlich wie für andere Nachbarn auch das Verbrechern, das an den Bewohnern des Hauses Mühlenstraße Nummer neun verübt worden ist, unfaßbar. „Das müßte aufhören, dieser Haß“, sagt sie.

Mitten in Mölln ist in der Nacht zum Montag von vermutlich rechtsradikalen Tätern ein Brandanschlag ohne Beispiel verübt worden, zunächst in einem von acht türkischen und kurdischen Familien mit insgesamt 43 Personen bewohnten Haus in der Ratzeburgerstraße Nummer 13, dann, eine halbe Stunde später, in der Mühlenstraße Nummer neun. Weinende und verängstigte Frauen und Männer standen in den Fenstern der beiden angezündeten Häuser, andere liefen auf der Straße zusammen.

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