GHDI logo

Carl Ferdinand von Stumm-Halberg, Ansprachen an seine Angestellten (um 1889)

Seite 4 von 5    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Wollte ich umfassende Konsumvereine ins Leben rufen, so würde dieser Mittelstand in Handwerk und Kleinhandel an unserem Orte geradezu vernichtet werden und Ihr selbst auch deshalb einen direkten Schaden davon haben, weil viele Eurer Kinder und Verwandten, ja unter Umständen Ihr selbst bei zunehmendem Alter und zunehmenden Ersparnissen als selbständige Gewerbetreibende tätig sein könnt. [ . . . ] Deshalb habe ich stets vorgezogen, Euch beim Steigen der Lebensmittel Teuerungszulagen zu gewähren, als Konsumvereine zu gründen, welche für Euch dasselbe, aber ohne jede persönliche Belastung für mich erzielen würden. Nichtsdestoweniger überlasse ich Euch durchaus nicht blindlings der Willkür des handwerksmäßigen Gewerbebetriebes, und wenn derselbe jemals seine Stellung Euch gegenüber mißbrauchen sollte, so würde ich keinen Augenblick zögern, zu dem dann notwendigen Übel des Konsumvereins zu greifen. [ . . . ]

Ein wesentliches Kampfmittel, durch welches der wissenschaftliche und pseudochristliche Sozialismus die Sozialdemokratie unterstützt, ist die Legende von der Existenz eines vierten Standes, welcher sich ganz allgemein gegen das „Kapital" schützen müsse. Daß der Lohnarbeiter durch staatliche Maßregeln vor immerhin möglichen Ausbeutungen geschützt werden müsse, ist von niemandem lebhafter anerkannt worden als von mir. [ . . . ] Diese Tendenz, Euch zu einem vierten Stande zu degradieren, ist geradezu eine Beleidigung des gesamten Arbeiterstandes. Die Arbeiterschaft steht heute jeder anderen Kategorie von Staatsbürgern gesetzlich völlig gleich, und niemals werde ich zugeben, daß der Arbeiter aus einem anderen Stoffe bestehe oder weniger Wert habe als ein Kommerzienrat oder ein Minister. Daß es unter den Arbeitern vielfach Not und Elend gibt, wird niemand weniger bestreiten als ich, der täglich bemüht ist, dasselbe zu mildern, wo es in Eurer Mitte auftritt. Dies ist aber kein Merkmal des sogenannten vierten Standes; denn vielen Bauern und Handwerkern, ja selbst manchen Angehörigen der sogenannten gebildeten Stände geht es weit schlechter als den meisten Fabrikarbeitern, gerade weil das Kapital durch seine Zunahme in Deutchland seit den letzten Jahrzehnten in der Lage ist, für den Fabrikarbeiter besser, als dies in früheren Jahren geschehen ist, zu sorgen. [ . . . ] Ganz unerfindlich ist es mir, wie sich die gelehrten Herren den vierten Stand eigentlich konstruieren. Zwischen mir und dem geringsten Tagelöhner liegen eine Menge Zwischenstufen: der Direktor, der Betriebschef, der Betriebsingenieur, der Meister, der Vorarbeiter – und möchte ich wohl wissen, wo da der dritte Stand aufhört und der vierte Stand beginnt! Nein, meine Freunde, wir alle gehören einem Stande an, das ist der alte ehrenhafte Stand der Hammerschmiede, und ich habe mich stets und allerorten mit Stolz zu diesem Stand bekannt. [ . . . ]

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite