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Katholische Sicht der Wirtschaft: Auszüge aus Wilhelm Emmanuel von Kettelers „Die Arbeiterfrage und das Christenthum” (1864)

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Eine andere Gefahr für den Arbeiterstand liegt in dem Einfluß, den ärmliche Lebensverhältnisse auf die Gesundheit und Lebensdauer der Menschen ausüben. Zunächst ist dies eine Folge schlechter Nahrung, schlechter Luft und kümmerlicher Lebensweise. Aber nicht nur Nahrung, Luft und Wohnung entscheiden über das physische Wohlsein der Menschen, sondern ein anderes Verhältniß übt hier noch einen weit größeren Einfluß, nämlich die Keuschheit der Sitte in einem Volke. Sie verbreitet ihren physischen Einfluß bis auf die spätesten Geschlechter. Wenn wir oft bei einem Volke, bei kaum ausreichender Nahrung, blühende Gesundheit antreffen, so ist der Hauptgrund dabei keusche, reine Sitte. Wenn zur schlechten Nahrung, zur ungesunden Luft in elenden Wohnungen, auch noch Lüderlichkeit und Unsittlichkeit hinzukommen, dann ist ein Volk auf dem Wege seines größten Verfalles. Dem Zusammenwirken dieser Factoren kann auf die Dauer der edelste Volksstamm nicht widerstehen. Die tiefe Versunkenheit der Sklaven in den altheidnischen Zeiten hatte hauptsächlich hierin ihren Grund, und die rohe Sinnlichkeit dieser armen Menschen war eine Hauptursache für ihre Herren, sie den Thieren gleich zu behandeln. Es ist vollkommen unbegründet anzunehmen, daß irgend ein Volk an sich vor solchen Zuständen durch seine Natur geschützt sei, und diese Ansicht ruht im Grunde schon wieder auf der heidnischen Vorstellung, daß die Natur selbst die Menschen unterscheide und die Einen zum Wohlstand und zur höheren geistigen Cultur, die Anderen aber zur Knechtschaft und zu einem thierischen Dasein bestimme. Armuth und Lüderlichkeit zusammen können in jedem Volke die versunkensten Zustände des Heidenthums wieder hervorrufen; hierfür sind in jeder großen Stadt Europa's die zahlreichsten Beweise aufzufinden. Diese Factoren, die Menschen zu verderben, würden aber im vollsten Maße wirksam werden in dem gesammten ärmeren Arbeiterstande, wenn es gelingen könnte, dem Arbeiter die Familie und die Ehe zu zerstören. Durch die anderen volkswirthschaftlichen Principien ist ein großer Theil des Arbeiterstandes bereits auf die niederste Nothdurft des Lebens herabgedrückt; durch die Auflösung der christlichen Familie würde ihm aber das tödtende Gift der Unzucht mit allen seinen entsetzlichen Wirkungen in das Herz gegossen. Es geht ja doch schon, wie wir alle Tage sehen, ein so unreiner Geist in der Welt um. Wie viele Blätter dienen ihm, natürlich noch in dem Maße, das einem Volke gegenüber geboten ist, welches noch wesentlich christlich ist. Entsittlichende Vergnügungen werden täglich dem Volke angeboten, ja in den Organen der liberalen Partei als die Mittel des höchsten und wahrsten Lebensgenusses demselben angepriesen. Die Erzählungen, die sie bringen, sind vielfach Verherrlichungen

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