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Katholische Sicht der Wirtschaft: Auszüge aus Wilhelm Emmanuel von Kettelers „Die Arbeiterfrage und das Christenthum” (1864)

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Krankenhäuser und Armenhäuser ist etwas unendlich Schwieriges. Mit dem Alter wird der arbeitsunfähige Arbeiter immer hilfloser und hilfsbedürftiger. Er wird schwach am Leib und schwach am Geiste. Die Fehler und Leidenschaften, die bösen Angewöhnungen des früheren Lebens treten dabei immer mehr zu Tage. Neigung zur Unreinlichkeit, oft in erschreckendem Maße, Trägheit, Trunksucht, Zanksucht u. s. w. finden sich da zusammen. Es gibt vielleicht kein Haus, wo so die ganze Armseligkeit der Menschennatur sich zusammenfindet, als in solchen Anstalten. Wer da aushalten und alle diese geistliche und leibliche Gebrechlichkeit mit liebevoller Pflege überwinden will, der muß mit einem Herzen hinkommen, das von einer mehr als bloß menschlichen und irdischen Liebe erfüllt ist. Wo das nicht der Fall ist, da werden auch die besten und wohlwollendsten Hausväter dem vielen Schlechten gegenüber nach und nach erlahmen, sie werden sich an das Elend dieser Menschen gewöhnen und bald in Gefahr kommen, in ihrer Handlungsweise vielfach die Gesetze der höheren Nächstenliebe zu verletzen. So weit ich Gelegenheit gehabt habe, in meinem Leben ähnliche Anstalten kennen zu lernen, habe ich mich davon überzeugt, daß trotz aller Humanitätsgrundsätze, die von den Aufsicht führenden Behörden im überreichen Maße ausgesprochen werden, doch die meisten Anstalten unter rein weltlicher Pflege große Gebrechen der inneren Einrichtung haben und daß viele von ihnen sich in einem Zustande der Verwahrlosung befinden, wo auf der einen Seite Schmutz, Trägheit und Lüderlichkeit herrschen, auf der andern Seite aber eine abgestumpfte Gleichgültigkeit gegen all' dieses Elend. Der tägliche Umgang und die jahrelange Pflege der armen Kranken und der armen Invaliden ist ein so mühevolles Geschäft, daß die Menschennatur, nur auf sich angewiesen, dazu nicht ausreicht. Selbst Eltern- und Kindesliebe unterliegen oft unter dieser Last bei langjährigen Krankheiten und Altersschwächen. Wie mancher alte Vater wird von den Kindern lieblos behandelt, weil das Gefühl der Kinder durch die lange Dauer des Elendes mehr oder weniger abgestumpft ist! Wie soll da eine Pflege, bei welcher selbst die Kindesliebe oft nicht mehr ausreicht, von Menschen geübt werden, die lediglich des Lohnes wegen sich diesem Geschäfte widmen? Nur die übernatürliche Liebe, die Christus in die Menschenherzen ausgießt, vermag eine Kraft zu verleihen, die den Armen in den Zufluchtsstätten des menschlichen Elendes eine Pflege zuwendet, so andauernd und so liebevoll, wie der Arme sie in der That bedarf. [ . . . ]

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