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Ein Skeptiker betrachtet die Hexenverfolgung eingehender – Friedrich von Spee (1631)

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Welche Zeugenaussagen werden wir dann am Ende ausschließen können? Wo werden wir noch hingeraten? Ist das nicht ganz offensichtlich ein Strafgericht über uns? Und was soll ich erst zu den Bettelbuben als Zeugen sagen, die, von Böswilligen gedungen oder — wie man derartige Jugend leicht irremachen kann — durch einiges Geschick beim Verhör und verfängliche Fragen umgarnt oder auch freiwillig, von Essen und Trinken verlockt, zugeben, sie seien von Hexen verführt worden. Und wie man sie wunders was fragt, so erzählen sie auch Wunderdinge, was sie alles auf dem Hexensabbat gesehen haben wollen, was dort getan worden sei, wer dabei war und dergleichen. Werden sie hernach von geistlichen, klügeren Männern danach gefragt, dann wissen sie nichts davon und widerrufen alles.

Als darum — wie ich zum Vergnügen einfüge — kürzlich einmal eine Ziege abhanden gekommen war (ein Soldat hatte sie weggeführt), da war auch sie auf dem Hexensabbat von diesem und jenem, ich weiß nicht, ob sie bereits hingerichtet oder erst verurteilt sind, verzehrt worden. Es gibt eine Menge solcher Beispiele, die ich jedoch übergehe, um rasch zum Ende zu kommen. Ein andermal tragen wir sie vielleicht alle zusammen.

Die Obrigkeit soll jedenfalls wissen, daß sie sich von ihren Beamten in erstaunlicher, beklagenswerter Weise zum besten halten läßt.

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(B) Das gebräuchliche Verfahren in Hexenprozesse, und ob Kaiser und Volk darüber sollen informiert werden.

51. FRAGE
Wie eine kurze Übersicht des heutzutage bei vielen im Hexenprozesse gebräuchlichen Verfahrens aussieht, die es wert wäre, daß der verehrungswürdige Kaiser sie kennenlernte und das deutsche Volk sie sorgfältig betrachtete?

Ich antworte: Eine solche Übersicht hat jeder Leser selbst aus diesem Buche gewinnen können. Da es jedoch für mich noch leichter zu machen war, will ich sie hier anfügen, freilich unter Auslassung vieler Dinge, die sich nicht gut einfügen ließen. Für sie ziehe man das im Voraufgehenden Gesagte zu Rate, wie auch für das, was im Folgenden angeführt ist, sofern man sich über die einzelnen Fragen eingehender unterrichten will. Folgendes ist also diese Übersicht.

1. Es ist kaum zu glauben, was es bei den Deutschen und besonders (es ist beschämend, auszusprechen) bei den Katholiken unter dem Volke für Aberglauben, Mißgunst, Verleumdung, Ehrabschneiderei, heimliches Gerede und dergleichen gibt. Die Obrigkeit bestraft diese Dinge nicht, und die Prediger rügen sie nicht. Sie sind es, die zu allererst den Verdacht der Hexerei in die Welt setzen. Alle göttlichen Strafen, die Gott in der Heiligen Schrift angedroht hat, stammen von den Hexen her. Gott und die Natur tun jetzt gar nichts mehr sondern alles machen die Hexen.

2. So kommt es, daß alle Welt schreit, die Obrigkeit solle nun die Inquisition gegen die Hexen einleiten, die man in dieser Unmenge doch nur mit den eignen Zungen geschaffen hat.

3. Also befehlen die Fürsten ihren Richtern und Räten, mit dem Prozeß gegen die Hexen zu beginnen.

4. Die wissen zuerst nicht, wo sie anfangen sollen, weil sie keine Indizien und Beweise haben und doch aus Gewissensbedenken nicht wagen, hier etwas ins Blaue hinein zu unternehmen.

5. Derweil werden sie zwei, drei Male ermahnt, den Prozeß anzufangen. Das gemeine Volk schreit, dies Zögern sei nicht unverdächtig; und etwa das gleiche reden sich die Fürsten, von wer weiß wem unterrichtet, ein.

6. Den Unwillen der Fürsten zu erregen und ihnen nicht auf der Stelle zu gehorchen, das ist in Deutschland gefährlich; fast alle, selbst Geistliche, loben regelmäßig über die Maßen, was nur den Fürsten beliebt hat. Dabei beachten sie gar nicht, von wem die Fürsten, mögen sie persönlich noch so vortrefflich sein, sich häufig antreiben lassen.

7. Endlich weichen die Richter also doch dem Willen der Fürsten und finden irgendwie einen Anfang für ihre Prozesse.

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