GHDI logo

Besetzung eines Berliner Mietshauses (1981)

Seite 3 von 3    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Das Haus nebenan wird wohl demnächst geräumt werden. Die «Neue Heimat» will auf das Vorderhaus drei Stockwerke im sozialen Wohnungsbau draufsetzen. Sie hatte den «sehr geehrten Nutzern» mehrere Briefe geschrieben, in denen sie sie zur «freiwilligen Herausgabe des Vorderhauses» aufforderte. Falls sie Wohnungen bräuchten, sei die «Neue Heimat» gern bereit, sie anderweitig unterzubringen. Sie könnten sich auch zunächst in den Seitenflügel und das Hinterhaus zurückziehen und, falls daran Interesse bestehe, an dem Baugerüst des Vorderhauses ihre Transparente anbringen lassen. Die Besetzer schrieben zurück, mit Klopapier seien sie ausreichend versorgt, sie dächten nicht daran zu weichen. Die «Neue Heimat» will auch den Seitenflügel und das Hinterhaus, in das sie die Besetzer verwiesen haben, modernisieren. Aber erst in einem halben bis dreiviertel Jahr. «Bis dahin können die gern bleiben», erklärt mir der Sanierungsbeauftragte.

Die zwanzig Besetzer, die den Block mit etwa 80 Zimmern bewohnen, sind buntgemischt. Neben Studenten und Schülern arbeitslose Jugendliche, Punks, ein Maharishi-Anhänger und ein Bankkaufmann. Die Fluktuation im Haus ist groß. Nur noch drei von den ursprünglichen Besetzern leben dort. Im Vorderhaus wohnte ursprünglich eine Gruppe von Obdachlosen, «Berbern», wie sie sich selbst nennen, die mit Unterstützung einer Beratungsstelle und entsprechender Öffentlichkeit dort eingezogen waren. Ihr Widerstand gegen Verhandlungen mit der «Neuen Heimat» war nicht so groß. Sie hingen stärker an dem Dach überm Kopf; ihre Buden hatten sie sich zum Teil piekfein hergerichtet. Die Mehrheit im Haus lehnt jedoch Verhandlungen oder freiwilligen Abzug aus dem Vorderhaus kategorisch ab. Eine Chance, das Haus zu halten, wenn die Bullen kommen, sehen sie nicht. Man wird's erleben.

[ . . . ]


Quelle: Benny Härlin, „Von Haus zu Haus – Berliner Bewegungsstudien“, Kursbuch 1981, Nr. 65, S. 5 ff.[ © Benny Härlin]; abgedruckt in Christoph Kleßmann und Georg Wagner, Hg., Das gespaltene Land. Leben in Deutschland 1945-1990. München, 1993, S. 330-32.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite