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Die allgemeine Mobilisierung der katholischen Kirche – Das Konzil von Trient (1547-63)

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(B) Dekret über die Residenz der Bischöfe und des niederen Klerus

Kapitel 1 [Residenzpflicht der Bischöfe]

Dieselbe hochheilige Synode, mit denselben Präsidenten und Legaten des Apostolischen Stuhls, hat den Willen und die Bereitschaft, die weitgehend zusammengebrochene kirchliche Disziplin wiederherzustellen und die verderbten Sitten in Klerus und christlichem Volk zu verbessern. Sie hat beschlossen, der Anfang sei bei den Vorstehern der großen Kirchen zu machen. „Denn die Lauterkeit der Vorsteher ist das Heil der Untergebenen.“ Sie vertraut darauf, daß durch das Erbarmen unseres Herrn und Gottes und durch die vorausschauende Klugheit des Stellvertreters Gottes auf Erden in aller Zukunft für die Leitung der Kirchen – eine Last, die selbst Engelsschultern fürchten müßten –, gemäß den verehrungswürdigen Anordnungen der heiligen Väter, die Würdigsten ausgewählt werden, das heißt jene, deren bisheriges Leben in allen Altersstufen, von den jugendlichen Anfängen bis zu den reiferen Jahren, durch einen vorbildlichen, der Kirchendisziplin entsprechenden Dienst | Zeugnis ablegt. Alle, die den Patriarchats-, Primatial-, Metropolitan- und Bischofskirchen vorstehen, unabhängig von Namen und Titel, ermahnt deshalb die Synode, und will sie ermahnt wissen, daß sie acht geben auf sich „und die ganze Herde, in der sie der Heilige Geist bestellt hat, die Kirche Gottes zu leiten, die er durch sein Blut erworben hat“ (51). Sie sollen wachsam sein, wie es der Apostel vorschreibt (52), sich in allem abmühen und ihren Dienst erfüllen. Sie müssen wissen, daß sie ihn aber niemals erfüllen können, wenn sie die ihnen anvertrauten Herden wie bezahlte Knechte im Stich lassen (53) und sich die Bewachung ihrer Schafe, deren Blut der höchste Richter aus ihren Händen zurückfordern wird (54), überhaupt nicht angelegen sein lassen, obwohl es ganz sicher ist, daß die Entschuldigung des Hirten nicht angenommen wird, wenn der Wolf die Schafe frißt und der Hirt es nicht weiß. Zur Zeit gibt es einige – was höchst beklagenswert ist –, die nicht einmal an ihr eigenes Heil denken und Irdisches dem Himmlischen, Menschliches dem Göttlichen vorziehen, sich an verschiedenen Fürstenhöfen herumtreiben oder sich, nachdem sie die Herde verlassen und die Sorge für die ihnen anvertrauten Schafe vernachlässigt haben, völlig in Beschlag nehmen lassen von der Sorge um zeitliche Geschäfte. Deshalb hat die heilige Synode beschlossen, die alten Kanones – sie sind durch das Unrecht der Zeiten und der Menschen fast ganz außer Übung gekommen –, die gegen die Nicht-Residierenden erlassen wurden, zu erneuern, wie es kraft des gegenwärtigen Dekrets geschieht, und darüber hinaus zur besseren Sicherstellung ihrer Residenz und zur Reform der Sitten in der Kirche in folgender Weise festzulegen und zu erlassen:

Wenn jemand – unabhängig von Würde, Stellung oder Vorrang – ohne berechtigtes Hindernis oder gerechte und vernünftige Gründe von einer Patriarchats-, Primats-, Metropolitan- oder Kathedralkirche, die ihm mit einem wie auch immer gearteten Titel, Grund, Namen oder Recht übertragen wurde, abwesend ist und sechs aufeinander folgende Monate außerhalb seiner Diözese weilt, zieht er sich ipso iure als Strafe zu, daß ein Viertel seines Jahreseinkommens durch einen kirchlichen Vorgesetzten dem Kirchenschatz und den Armen des Ortes zugewendet wird. Bleibt er weitere sechs Monate in solcher Weise abwesend, verliert er eo ipso ein weiteres Viertel seiner Einnahmen zu ähnlicher Verwendung. Wächst jedoch der Ungehorsam, so daß er der strengeren Zensur der heiligen Kanones unterliegt, dann muß der Metropolit gegen die abwesenden Suffraganbischöfe, beziehungsweise der rangälteste residierende Suffraganbischof gegen den abwesenden Metropoliten unter Strafe des Verbots des Kirchenzutritts, der er eo ipso verfällt, innerhalb von drei Monaten per Brief oder Boten beim römischen Bischof Anzeige erstatten. Dieser kann dann gegen die Abwesenden, je nach Ausmaß der Widersetzlichkeit der einzelnen, mit der Vollmacht seines höchsten Stuhles einschreiten und für diese Kirchen nützlichere Hirten bestellen, so wie es ihm im Herrn zum Heil erforderlich erscheint.

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(51) Vgl. Apg 20,28 (vgl. Vulg.).
(52) Vgl. 2 Tim 4,5.
(53) Vgl. Joh 10,12.
(54) Vgl. Ez 33,6.

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