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Protestanten und Radikale – Die Debatte zwischen Martin Bucer und hessischen Täufern (1538)

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B.: Das ist kein folg. Man hat das wort lang gepredigt, ist kein besserung da, darumb ist es kein wort gottes. 4. Regum ultimo [2. Chron. 36, v. 15]: Ich hab imer propheten gesendt und es hat bei euch geholfen. Und das er sag, er hab noch nit einen etc., da sol gedenken, das er nit urteile; er hab one zweivel vil leute gekant, das mancher mit seinem blude bezeugt hab, und er konne nit wissen, was ein jder in einem andern lande guts tu. Darumb sei es ein grosser frevel von ime, das er sag, er hab nit einen funden.

L.: Das ich ein urteil felle, da ich nit soll, daruf sag ich: Was gottes wort richtet, das richten wir nit, doch brauchen wir des worts nach seinem bevelh. Darumb wan man richtet, ist es nit geurteilt.

B.: Fragt, ob die folg gut sei, die leut werden durch das wort nicht bekeret, darumb ist es nicht das gotteswort.

L.: Er wolle bei dem claren gezeugknus bleiben. Christus lasse sich nit finden in den hohen schulen.

B.: Sagt, Lenhart muge got die ehre nicht geben, das die folg nicht tuge. Darumb bezeugt er sich gegen den umbstendern und sagt, Christus hab in den hohen schulen gepredigt, dan er seie in den sinagogen gewesen und hab gepredigt allen creaturen. Aber die cleinen nidrigen gegen der welt haben es angenomen, die findt man bei fursten und herren ufm felde und an andern orten und seind das die hochverstendigen, denen die lere Christi verborgen, die us inen selbst wissen und nicht us dem wort gottes lernen, wen gleich sonsten die geringsten leudt seind.

L.: Christus spricht: An den fruchten erkennet man den baum, Matthei 12, [v. 33, 34]. Was nu das herz vol ist, das gehet der mund uber, das kan man dan richten. Darumb konnen sie nit beweren, das sie gesandt seien, dan sie beweisen kein gute frucht.

B.: Wie kan die folg recht sein: Er ist ein boser baum’ dan ich hab kein gute fruchte von ime gesehen! Wie wen der baum in Kalikutten were und ich bin hie und sehe kein gute frucht am baum, solte er darumb keine haben? Er, Lenhart, hab nit jderman gesehen. Darum urteile er frevenlich. Bit, sie wollen urteilen, was sie sehen, und nit also understehen, got gleich zu werden. Dan derhalb hat got die engel us dem himel gestossen.

L.: Hab gehort von seinem bruder, sie haben wollen das gut tun, das sie erkant und bekant haben. Aber die predicanten seind die ersten, die seine bruder vor der oberkeit beclagt und angeben haben als ufrurisch. Das hab er von keinem aposteln oder propheten gelesen, dan got sei ein gott des friedes.

B.: Er hab sollen sein urteil beweren, das keine frucht erscheine in unser kirchen, das er luge, wie ers bewert hab. Wir gestehen: welcher prediger einen guten verfolgt, das der nicht recht tu. Nu aber werden die taufer verfolgt, darumb das sie nit frumb seien, sondern der kirchen den grosten unfromen und schaden zufuegen. Der ist nit from, der seinen nehsten verletzt, noch vil unfromer ist, der ime die lere gottes und der sacramenten entzeuhet, wie ir und die euern tun, welche den leuten den hohsten schaden zufuegen, nemlich an der religion; dieselbigen seind die aller unfrombsten, ob sie gleich keinen wein trinken, kein fleisch essen, alle strengkeit liebten, imer beteten und sich alles des ubten, das geistlich scheinet. Dies ist auch alleweg des satans art und gebrauch, das er falsche religion mit vermeinter strengkeit des lebens infure, wie auch an den falschen aposteln bescheen, uber die Paulus clagt zum Colos. 2 [v. 16 ff]. Dies ist auch bewiesen an den Manicheern und andern, die die heilig religion zum schwerlichsten verstoret haben. Die prediger heissen niemants unpilliche verfolgen. Sie predigen aber, wie sie Paulus leret [Röm. 13, v. 4], das die oberkeit das schwert nit vergebens trage, sondern zur forcht aller deren, die ubels tun, und darumb zur hohsten forcht deren, die das grost ubel tun, die heilige religion verletzen. Und leiden die taufer als die ubelteter, und hab got kein arges so hart wollen gestraft haben als die gotteslesterung. Und sie haben noch nicht bewiesen, das unsere kirch oder predicanten bose beum seien. Christus hab die leute us dem tempel getrieben, die die religion verterbt haben.

L.: Ir musset bekennen, das die fromen von anfang die unfromkeit nie verfolgt haben.

B.: Das widersprech ich, dan wer hat Lucifer im himel verfolgt dan die fromkeit im himel. Item sanct Paulus hat die falschen aposteln heftig verfolgt.

L.: fragt: Hat dan Paulus die andern verfolgt?

B.: Ja, und aber das us recht gotlichem eifer, da die falschen aposteln inen verfolgten us falschem teuflischem ifer.

L.: wo hat Jacob seinen bruder Esau verfolgt? Sonder Cayn hat seinen bruder Abel verfolgt umb des ophers willen und Esau Jacob. Also auch noch heut etc.

B.: Das die bosen die guten verfolgen, das gestehen wir; das aber die fromen auch die bösen verfolgt haben, zeugt alle schrift. Was hat Christus im tempel getan, was hat Petrus in actis [Apg. 5] getan dem Anania?

Folgends freitags.

L.: Ich hab nechten* frag getan, wie ir gehort habt. Nu kan ich euer rede nicht tadeln; wan man es nu also ins werk fhuret, so hab er wol daran ein gefallen, aber doch kein gnugen, bissolang man es ins wergk bringt, dan wil er mit seinen gesellen darzu helfen, das der tempel gebauet werde. Und das sie sich von uns getan, haben sie ursachen angezeigt und bitten, das man mit inen gedult haben wolle, das licht scheinen lassen und den baum nicht abhauen, dweil er in der blut stehe.


* Gestern (abend).

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