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Carl von Clausewitz: Auszüge aus Vom Kriege (1832)

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(Achtes Buch) Drittes Kapitel

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Das Ende des siebzehnten Jahrhunderts, die Zeit Ludwigs XIV., läßt sich als den Punkt in der Geschichte betrachten, wo die stehende Kriegsmacht, wie wir sie im achtzehnten Jahrhundert finden, ihre Höhe erreicht hatte. Diese Kriegsmacht war auf Werbung und Geld begründet. Die Staaten hatten sich zur vollkommenen Einheit ausgebildet und die Regierungen, indem sie die Leistungen ihrer Untertanen in Geldabgaben verwandelten, ihre ganze Macht in ihren Geldkasten konzentriert. Durch die schnell vorgeschrittene Kultur und eine sich immer mehr ausbildende Verwaltung war diese Macht im Vergleich mit der früheren sehr groß geworden. Frankreich rückte mit ein paarmal hunderttausend Mann stehender Truppen ins Feld, und nach Verhältnis die übrigen Mächte.

Auch die übrigen Verhältnisse der Staaten hatten sich anders gestaltet. Europa war unter ein Dutzend Königreiche und ein paar Republiken verteilt; es war denkbar, daß zwei davon einen großen Kampf miteinander kämpften, ohne daß zehnmal soviel andere davon berührt wurden, wie es ehedem geschehen mußte. Die möglichen Kombinationen der politischen Verhältnisse waren immer noch sehr mannigfaltig, aber sie waren doch zu übersehen und von Zeit zu Zeit nach Wahrscheinlichkeiten festzustellen.

Die inneren Verhältnisse hatten sich fast überall zu einer schlichten Monarchie vereinfacht, die ständischen Rechte und Einwirkungen hatten nach und nach aufgehört, und das Kabinett war eine vollkommene Einheit, welche den Staat nach außen hin vertrat. Es war also dahin gekommen, daß ein tüchtiges Instrument und ein unabhängiger Wille dem Kriege eine seinem Begriff entsprechende Gestalt geben konnte.

Auch traten in dieser Epoche drei neue Alexander auf: Gustav Adolf, Karl XII. und Friedrich der Große, die es versuchten, aus kleinen Staaten vermittelst eines mäßigen und sehr vervollkommneten Heeres große Monarchien zu stiften und alles vor sich niederwerfen. Hätten sie es nur mit asiatischen Reichen zu tun gehabt, so würden sie in ihrer Rolle dem Alexander ähnlicher geworden sein. In jedem Fall kann man sie in Rücksicht auf das, was man im Kriege wagen dürfte, als die Vorläufer Bonapartes ansehen.

Allein was der Krieg von der einen Seite an Kraft und Konsequenz gewann, ging ihm auf der anderen Seite wieder verloren.

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