Im funfften Buch Mosi im 13. capitel [2. 3. 6] stet geschriben: Wan ein prophet oder tromer under euch wirt aufsten und gibt dir ein zaichen etc. und spricht: Laß uns andern gottern nachwandeln und in dienen etc., so sol der prophet sterben, auf das du den boßen von dir thueste.
In diser satzung muß anfengklich gemerckt werden, das nit der falsch glaub oder sein schlechte personliche bekantnus, sonder das lere- oder predigampt des falschen glaubens abgethon oder gestraft wurt, dan das gesatz spricht nit: Wer falsch glaubt, sonder: Wan ein prophet sagt: Laß uns andern gottern nachwandeln. Das also auch der falsch glaub by den Juden ungestraft ist pliben und allein dem lere- oder predingampt des falschen glaubens gewert ist worden.
Zum andern so ist es gewiß, das die administration und volnstrekkung dises gesatz den konigen oder weltlicher oberkait by den Juden bevolhen gewesen ist. Dan wan by inen ein konig erwelt und gesalbt wurde, so ist im ditz funfft Buch Mosi, darin das vorgemelt gesatz begriffen, von den Leviten in die handt gegeben worden, das er nach desselben lere und satzung das konigreich regieren sol etc. [Vgl. 5 Mos 17, 18 ff.]
Man spricht aber, das Alt Testament binde keinen menschen mer, und wo man sich in einem stuck gefangen gebe, so kundt man sich der andern nit erwehrn etc. Das ist war und gewiß, das das Alt Testament von sein selbs wegen niemandts mer verbinde oder notig. Nichtzdestweniger so ist, wie Paulus 2. Timo 3 [16] bezeugt, alle geschrift des Alten Testaments, von Got ingegeben, nutz zur lere, zur straff, zur besserung und zur zuchtigung in der gerechtikait etc., wie sich dan Paulus selbs vil der spruch des Alten Testaments zur lere gebraucht, nemlich 1. Cor. 9 [1 ff.]. Da leret er, das man die apostel mit ir narung versehen soll und sie, die apostel, macht haben von wegen irs ampts, die zeitlich narung zu nemen, und furt daruf zu bezeugknus das gesatz Mosi Deu. 25 [4]: Du solt dem ochsen nit das maul verstopffen, der da trischet. Mocht nit auch einer dem Paulo begegnet sein und gesagt: Liber, das Alt Testament bindet die cristen nichts, wie du selbs gepredigt hast, darumb bewert dein spruch nichts. Dem wurd freylich Paulus geantwort haben: Ich wais gleichwol, das das Alt Testament niemands nach dem buchstaben notiget, aber das wurt mir niemandts verbieten, das ich nit darauß etwas zur ler und underweysung anziehe. Dergleichen thut er 2. Cor. 13 [1]: Ich kome, spricht er, nu zum drittenmal zu euch; in zweyer oder dreyer mund sol besten allerlai sach. Ist nit ditz gesatz auß Deu. ca. 17 [6] gezogen? Also ist es wol war, das das gesatz von dem erwurgen und todten des falschen propheten, da oben angezaigt, ytz kein weltlich cristenlich oberkait nach dem buchstaben verfahe und notige, idoch dieweyl die volnstreckung desselben gesatz dem weltlichen magistrat by den Juden auß gotlicher ordnung bevolhen war, so mag man billich ytz einem cristenlichen magistrat daruß ein undericht seins ampts geben, das er billich und geschickte mitel suchen sol, der falschen ergerlichen lere und gotsdinsten by seinen underthonen zu weren, wie sich dan auch ein prediger der warhait auß disem gesatz zu underrichten hat, das er fur sich selbs auf sein weys und gebure der falschen lere under seinem kirchenvolck auch begegne und were. Und demnach ist es ein lere beder ampter, des weltlichen magistrats und des predingampts, ja eins igklichen auff sein weys und gebure, des weltlichen auff sein weltlich straf oder weren, des predigers auff sein gaistlich straff und were.
Sagt man aber widerumb: Ja, es mocht sich ein weltlich oberkait hierauß underrichten, das sie wolt fug haben, einen falschen lerer gar zu todten und nit allein des ampts oder landts zu verbieten, was wurde hindennach daruß? Antwort: Das kan sie nit thon; dan wolt sie in disem gesatz bloß auff den buchstaben tringen, so mußt sie auch den andern gesatzen Mosi verbunden sein, wie dan auß der vertzaichnus auß Sant Pauls Gala. 5 [3] recht furgewendt ist. Aber das sie nit fele, so muß sie ir underricht auß der meynung und ursach ditz gesatz erholen. Die ist entlich, das dem boßen und unfriden gewert werd. Kan sie nu dasselb mit guten worten thon? Wol kan sie aber dasselb nit anderst dan mit verbietung des lands thon, aber wol allein, das all bequemliche gotliche mitel von einer oberkait, dem boßen und unfriden zu weren, gesucht werden. Dan so dem gewerdt wurdt und werden kan on die straff des leiplichen todts (wie es dan wol geschehen mag), so ist schon der meynung und der ursach des gesatz gnug geschehen.*
* Seiner Abneigung gegen die Todesstrafe hat Brenz mehrfach Ausdruck verliehen. [Alle Fußnoten stammen aus: Johannes Brenz, Frühschriften, herausgegeben von Martin Brecht, Gerhard Schäfer und Frieda Wolf. Band 2. J.C.B. Mohr (Paul Siebeck): Tübingen, 1974, S. 528-41.]