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Carl von Clausewitz: Auszüge aus Vom Kriege (1832)

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Friedrich der Große rechnete bekanntlich sehr ängstlich jeden Rekruten nach, den er seinem Lande ersparen konnte; es war seine Hauptindustrie, sein Heer soviel als möglich auf Kosten des Auslandes stark zu erhalten. Daß er dazu alle Ursache hatte, begreift man, wenn man bedenkt, daß ihm von der kleinen Ländermasse noch Preußen und die westfälischen Provinzen entzogen waren.

Die Reiterei, außerdem, daß sie überhaupt weniger Menschen erfordert, ergänzte sich auch viel leichter durch Werbung; dazu kam sein durchaus auf Überlegenheit in der Bewegung gegründetes Kriegssystem, und so geschah es, daß sich seine Reiterei, während sein Fußvolk abnahm, bis Ende des Siebenjährigen Krieges hin immer noch vermehrte; doch betrug sie selbst am Ende desselben schwerlich über ein Vierteil der im Felde stehenden Infanterie.

Es fehlte in der eben bezeichneten Epoche auch nicht an Beispielen, daß Armeen mit ungewöhnlich schwacher Reiterei aufgetreten sind und doch den Sieg erhalten haben. Das namhafteste ist die Schlacht von Groß-Görschen. Bonaparte war, wenn wir bloß auf die Divisionen sehen, die teil an dem Gefecht genommen, 100 000 Mann stark, wobei 5 000 Mann Reiterei und 90 000 Mann Fußvolk; die Verbündeten 70 000 Mann, wobei 25 000 Mann Reiterei und 40 000 Mann Fußvolk. Bonaparte hatte also für 20 000 Mann Reiterei, welche ihm abgingen, nur 50 000 Mann Fußvolk mehr, er hätte aber 100 000 dafür haben sollen. Hat er die Schlacht mit jenem Übergewicht an Fußvolk gewonnen, so kann man wohl fragen, ob er sie, wenn das Verhältnis 140 000 zu 40 000 gewesen wäre, überhaupt möglicherweise hätte verlieren können.

Freilich zeigte sich gleich nach der Schlacht der große Nutzen unserer Überlegenheit an Reiterei, denn Bonaparte erntete fast keine Siegestrophäe. Der Gewinn der Schlacht ist also nicht alles — aber bleibt es nicht immer die Hauptsache?

Wenn wir solche Betrachtungen anstellen, so haben wir Mühe, zu glauben, daß das Verhältnis, auf welches sich Reiterei und Fußvolk seit 80 Jahren gestellt und erhalten haben, das natürliche, bloß aus ihrem absoluten Werte hervorgehende sei; wir sind vielmehr der Meinung, daß nach manchem Oszillieren das Verhältnis dieser beiden Waffen sich ferner in dem bisherigen Sinn verändern und die konstante Zahl der Reiterei am Ende bedeutend geringer werden wird. —

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