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Philipp Scheidemann gegen die Annahme des Versailler Vertrages (12. Mai 1919)

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Wie sagt Wilson so zutreffend: „Der erste Grundsatz des Friedens selbst ist Gleichheit und gleiche Teilnahme am gemeinsamen Vorteil!“ O, ein Grundsatz, den die Entente bis ins kleinste verwirklicht sehen will; denn den Schlußpunkt unter die ihr genehme Art, Deutschland aus der Welt wegzuradieren, setzt sie durch diese Bestimmungen:

Kriegsmaßnahmen Deutschlands in bezug auf die Liquidation feindlichen Eigentums sind sofort einzustellen oder wiedergutzumachen. Hingegen behalten sich die alliierten und assoziierten Regierungen das Recht vor, alles Eigentum, Rechte und Interessen deutscher Staatsangehöriger auf ihrem Gebiet zurückzubehalten und zu liquidieren.

(Hört! Hört!)

Das ist das Kerkerbild nach der einen Seite, dem Ausland zu: ohne Schiffe – denn unsere Handelsflotte geht in die Hände der Entente über –, ohne Kabel, ohne Kolonien, ohne ausländische Niederlassungen, ohne Gegenseitigkeit und Rechtsschutz, ja selbst ohne das Recht, mitzuwirken bei der Festsetzung der Preise für die von uns als Tribut zu liefernden Waren, für Kohle, pharmazeutische Artikel und so weiter, – ich frage Sie: Wer kann als ehrlicher Mann – ich will gar nicht sagen als Deutscher – nur als ehrlicher, vertragstreuer Mann solche Bedingungen eingehen? Welche Hand müßte nicht verdorren, die sich und uns in diese Fesseln legt?

(Lebhafter Beifall)

Und dabei sollen wir die Hände regen, sollen arbeiten, die Sklavenschichten für das internationale Kapital, Frondienste für die ganze Welt leisten? Den Handel im Ausland, die einstige Quelle unseres Wohlstandes, zerschlägt man und macht man uns unmöglich.

Und im Inland? Die lothringischen Erze, die oberschlesische Kohle, das elsässische Kali, die Saargruben, die billigen Nahrungsmittel Polens und Westpreußens, alles soll außerhalb unserer Grenzen liegen, um die wir keinen höheren Zollschutz ziehen dürfen, als er am 1. August 1914 bestand, wohl aber unsere Gegner ganz nach Belieben und ganz zu unserer Erdrosselung.

Im Innern müssen alle deutschen Einkünfte, in erster Reihe Bezahlungen für die Verzollungen zur Verfügung stehen. Nichts für unser Volk, nichts für Kriegsbeschädigte und Kriegerwitwen, alles ein Frondienst, für dessen Produkte die Preise vom Abnehmer festgesetzt werden. Wie, das hat Frankreich ahnen lassen, das uns die im Saarbecken geförderte Kohle mit 40 Mark pro Tonne zahlte und sie im eigenen Land und nach der Schweiz mit 100 Francs verkauft hat.

(Hört! Hört!)

Ich will Ihnen nicht alle die großen und kleinen Schlingen nachweisen, in deren Gesamtheit sich ein großes Volk zu Tode verstricken soll, getreu dem Worte der „Times“: „Wenn Deutschland in den nächsten 50 Jahren wieder Handel zu treiben beginnt, ist dieser Krieg umsonst geführt worden.“

(Lebhafte Rufe: Hört! Hört! und Pfui!)

Was soll ein Volk machen, dem das Gebot auferlegt wird: „Deutschland ist für alle Verluste, alle Schäden, die die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Nationen infolge des Krieges

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