GHDI logo

Toleranz-Patent Josephs II. für die niederösterreichischen Juden (2. Januar 1782)

Seite 3 von 3    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


21. Solche Ankömmlinge haben also nicht das Befugniß, mit solchen Waaren zu handeln, die eigens hiezu berechtigten Handelsleuten und hier tolerirten Juden allein zu führen erlaubt sind. Auch ist ihnen wie allen Uebrigen das Hausiren in der Stadt und auf dem Lande allgemein bei Confiscirung der Waare verboten.

22. Hingegen steht solchen fremden Juden frei, zu Jahrmarktszeiten mit allen einzuführen allgemein erlaubten Waaren, außer der Marktzeit aber mit jenen zu handeln, welche jeder auswärtige Handelsmann verkaufen darf. Auch dürfen sie erlaubte Waare einkaufen, Bestellungen übernehmen u. s. w.

23. Die für die Juden sonst bestandenen doppelten Gerichts- und Kanzleitaxen werden durchaus abgestellt, sowie

24. alle bisher gewöhnlichen Merkmale und Unterscheidungen, als: das Tragen der Bärte, das Verbot, an Sonn- und Feiertagen vor 12 Uhr nicht auszugehen, öffentliche Belustigungsörter zu besuchen u. dgl. aufgehoben; im Gegentheile wird den Großhändlern und ihren Söhnen, sowie den Honoratioren auch Degen zu tragen erlaubt.

25. Da wir nun durch diese Begünstigungen die jüdische Nation in Absicht auf ihre Nahrungszweige und den Genuß der bürgerlichen und häuslichen Bequemlichkeiten anderen fremden Religionsverwandten beinahe gleichsetzen, so weisen wir dieselben zur genauen Beobachtung aller politischen, bürgerlichen und gerichtlichen Landesgesetze ernstlich an, als an welche sie, gleich allen übrigen Insassen, gebunden, sowie in ihren Angelegenheiten, in politischen und Rechtsvorfällen der Landesstelle, der Ortsobrigkeit nach der jeder Behörde zustehenden Gerichtsbarkeit und Thätigkeit (Activität) unterworfen bleiben; und versehen wir uns zu ihrer Pflicht sowohl als zu ihrer Dankbarkeit, daß sie diese unsere Gnade und die ihnen daher zufließenden Freiheiten nicht mißbrauchen, durch Ausschweifungen und Zügellosigkeit kein öffentliches Aergerniß geben und die christliche Religion nirgends irren, noch gegen dieselbe und ihre Diener Verachtung zeigen werden; weil ein Frevel dieser Art auf das strengste bestraft und dem, so ihn begangen, nach der Beschaffenheit der Umstände die Abschaffung von hier und aus allen unseren Ländern zuziehen würde.

Josef II.
Wien, den 2. Januar 1782.




Quelle: Johann Wendrinsky, Hg., Kaiser Josef II. Ein Lebens- und Charackterbild zur hundertjährigen Gedenkfeier seiner Thronbesteigung. Wien: Wilhelm Braumüller, 1880, S. 152-57.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite