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Die Jugendzeit des Sohnes eines Nürnberger Schneiders in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Rückblick)

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[Nach vier Jahren der Wanderschaft erreicht den Verfasser in Berlin ein Brief von seinen Eltern mit der Aufforderung, nach Nürnberg zurückzukommen, sie hätten eine Braut für ihn ausgesucht. Als Händler sich sträubt, schreiben ihm die Eltern, er habe in Zukunft »die mindeste Hilfe nicht zu gewarten«, falls ihm in der Fremde ein Unglück oder Krankheit zustoße. Daraufhin kehrt er zurück, ohne jedoch dem Ehevorschlag seiner Eltern zuzustimmen. Auch als er die von den Eltern Erwählte persönlich kennenlernt, sagt sie ihm nicht zu. Über mehrere Monate setzt er seinen hinhaltenden Widerstand fort. Inzwischen erwirbt Händler das Meisterrecht, und seine Eltern treffen unmittelbar im Anschluß daran alle Vorbereitungen für die Hochzeit.]

[ . . . ] Zu mir sprach [mein Vater] [ . . . ]: am 18ten Novbr. 1766. soll dein Ehrentag im goldnen Ochsen gehalten werden; kannst dich also darnach richten. Ich war wie vom Schlag gerührt, ich fiel nochmalen auf die Knie und bat um Gottes Willen, er möchte doch meine Bitte statt finden lassen, und mich nicht zum Heyrathen zwingen denn er würde sehen das nichts Gutes daraus entstehen könnte. Hast dich gewiß in der Fremde mit so einen Nickel versprochen, gab mir einen Stoß daß ich zur Erde fiel. Nun dachte ich auf der Welt bist du gänzlich verlassen, aber wenn Belohnung und Strafe statt findet, so will ich an jenem großen Tag meinen auf der Welt gehabten Prozeß darlegen.

Der Tag zur Kopulation erschien, und wie ein armer Sünder zur Gerichtsstätte, so wurde ich zum Altar geführt, denn was der Priester in der St. Sebalder Kirche mir vorsagte: davon verstand ich nicht ein Wort: denn ich hatte weder Augen noch Ohren, und viele Personen die dazumal Augenzeugen waren, bedaurenden mich, und die wenigen welche noch lebenden, bezeigten gegen mich ihr Mitleiden. Nachmittags war also die Mahlzeit von 46 Personen wie schon erwähnt im goldnen Ochsen, ich war mehr betäubt, als bei mir, denn ich saß wie ein Stummer, und Niemand war vermögend aus mir ein Wort zu bringen. Ich schütze eine Unpäßlichkeit vor, und so bald die erste Kutsche da war, fuhr ich nach Hause.

Meine Leser werden wundern wenn ich Ihnen sage: daß in währender Zeit von vierzehn Jahren ich zehn Kinder mit ihr gezeugt habe, man wird mir zur Antwort geben, daß wenn man doch keine Inclination gegen eine Person hat, so versteht man nicht wie doch dieses ins Werk gericht werden kann, alleine ich bin mit der Antwort schon fertig. Mein Wahlspruch bliebe allezeit: gedacht und glücklich ist der vergißt, das was nicht zu ändern ist. Daß ich niemals weder Neigung noch Affection zu meiner gegenwärtigen Frau hatte, das weiß Gott und jedermann, daß ich nicht lüge; daß ich aber allezeit rechtschaffen gehandelt habe, muß mir auch mein Feind nachreden [ . . . ]

[Trotz dieser Ereignisse brechen die Beziehungen zwischen Händler und seinen Eltern keineswegs ab; der Vater rettet ihn aus den Fängen eines Wucherers. Da sein Schneiderhandwerk wenig einträglich ist und er von seinem »verdrüßlichen Leben zu Hause mit Anstand fortkommen« möchte, nimmt Händler – nach Rücksprache mit Eltern und Frau – im November 1780 den Posten eines Haus-Sekretärs beim preußischen Gesandten Herrn v. Pfeil in der Nähe von Dinkelsbühl an. Wenige Tage danach wird er zu einem Herrn Obristen bestellt, der einen Brief aus Nürnberg für ihn mitgebracht hat.]

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