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Karl Freiherr vom und zum Stein, Nassauer Denkschrift zur Staatsreform in Preußen (Juni 1807)

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Bei dieser großen Verschiedenheit der Provinzial-Verfassungen entsteht die Frage, welche derselben den Vorzug vor den anderen verdiene.

In die aus besoldeten Beamten bestehenden Landes-Kollegia drängt sich leicht und gewöhnlich ein Mietlingsgeist ein, ein Leben in Formen und Dienst-Mechanismus, eine Unkunde des Bezirks, den man verwaltet, eine Gleichgültigkeit, oft eine lächerliche Abneigung gegen denselben, eine Furcht vor Veränderungen und Neuerungen, die die Arbeit vermehren, womit die bessern Mitglieder überladen sind und der die geringhaltigeren sich entziehen. Ist der Eigentümer von aller Teilnahme an der Provinzial-Verwaltung ausgeschlossen, so bleibt das Band, das ihn an sein Vaterland bindet, unbenutzt; die Kenntnisse, welche ihm seine Verhältnisse zu seinen Gütern und Mitbürgern verschaffen, unfruchtbar; seine Wünsche um Verbesserungen, die er einsieht, um Abstellung von Mißbräuchen, die ihn drücken, verhallen oder werden unterdrückt, und seine Muße und Kräfte, die er dem Staat unter gewissen Bestimmungen gern widmen würde, werden auf Genüsse aller Art verwandt oder in Müßiggang aufgerieben. Es ist wirklich ungereimt zu sehen, daß der Besitzer eines Grundeigentums oder anderen Eigentums von mehreren Tonnen Goldes eines Einflusses auf die Angelegenheiten seiner Provinz beraubt ist, den ein fremder, des Landes unkundiger, durch nichts mit ihm in Verbindung stehender Beamter ohnbenutzt besitzt.

Man tötet also, indem man den Eigentümer von aller Teilnahme an der Verwaltung entfernt, den Gemeingeist und den Geist der Monarchie, man nährt den Unwillen gegen die Regierung, man vervielfältigt die Beamtenstellen und verteuert die Kosten der Verwaltung, weil man nun die Gehälter den Bedürfnissen und dem Stand der Beamten, die allein von der Besoldung leben wollen, angemessen bestimmen muß. Die Erfahrung beweist die Richtigkeit dieser Bemerkung, und wollte man z. B. die wichtigen Verrichtungen der Landräte besoldeten Offizianten aus der Klasse der Nicht-Eigentümer übertragen, so würde gewiß der den Landräten anvertraute Verwaltungszweig verteuert. [ . . . ]

Auch meine Diensterfahrung überzeugt mich innig und lebhaft von der Vortrefflichkeit zweckmäßig gebildeter Stände, und ich sehe sie als ein kräftiges Mittel an, die Regierung durch die Kenntnisse und das Ansehen aller gebildeten Klassen zu verstärken, sie alle durch Überzeugung, Teilnahme und Mitwirkung bei den National-Angelegenheiten an den Staat zu knüpfen, den Kräften der Nation eine freie Tätigkeit und eine Richtung auf das Gemeinnützige zu geben, sie vom müßigen sinnlichen Genuß oder von leeren Hirngespinsten der Metaphysik, oder von Verfolgung bloß eigennütziger Zwecke abzulenken und ein gut gebildetes Organ der öffentlichen Meinung zu erhalten, die man jetzt aus Äußerungen einzelner Männer oder einzelner Gesellschaften vergeblich zu erraten bemüht ist.

Hat man sich von dieser Wahrheit überzeugt, daß die Teilnahme der Eigentümer an der Provinzial-Verwaltung von den wohltätigsten Folgen sei, so muß man nun seine Aufmerksamkeit richten auf die Bestimmung der Geschäfte, die ihnen übertragen werden sollen, und auf die Form der Organisation sowohl der Kommunal- als der Provinzial-Behörden.

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