GHDI logo

Unterschiede zwischen Ost und West (12. November 1990)

Seite 5 von 8    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Trotz Tschernobyl hat es noch nach der Wende in der DDR eine Mehrheit für die Nutzung der Kernkraft gegeben, wie eine SPIEGEL-Umfrage im Dezember vorigen Jahres zeigte. Als Emnid die Frage nun wiederholte, war die Mehrheit anderer Meinung – der gleichen wie die Mehrheit im Westen:

Die meisten Befragten in West und Ost sprachen sich dafür aus, keine neuen Werke zu bauen und die bestehenden stillzulegen, entweder im Laufe der Zeit (so 49 und 46 Prozent) oder sogar sofort (so 16 und 12 Prozent).

Was das Abtreibungsrecht betrifft, so ist die (vorerst weiter geltende) DDR-Regelung, daß ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten straffrei bleibt, nach der in ganz Deutschland vorherrschenden Volksmeinung besser als der entsprechende Paragraph 218 in der Bundesrepublik:

In Ost und West sprachen sich Mehrheiten der Männer und der Frauen, der Wähler aller Parteien für die Dreimonatsfrist oder sogar für völlige Straffreiheit aus. Nur unter den katholischen Kirchgängern findet sich eine Mehrheit für die heutige bundesdeutsche Regelung (Straffreiheit lediglich bei medizinischer oder sozialer Indikation) oder für ein noch strengeres Gesetz (Straffreiheit nur bei Gefahr für das Leben der Frau).

Bei aktuellen Themen gibt es eine gesamtdeutsche Übereinstimmung sogar dann, wenn östliche und westliche Interessen womöglich kollidieren.

Je zwei Drittel sprachen sich für eine Entschädigung der Eigentümer aus, die in der DDR enteignet worden sind.

Und davon, daß mehr als die Hälfte der früheren „volkseigenen“ Betriebe „nicht mehr konkurrenzfähig sind und wohl stillgelegt werden müssen“, sind weitaus die meisten überzeugt (West: 78 Prozent, Ost: 76 Prozent).

Die West- und die Ost-Deutschen haben ähnliche oder gleiche Grundeinstellungen, obwohl es einen gewichtigen weltanschaulichen Unterschied zwischen ihnen gibt: Im einig Vaterland kommen eine überwiegend christliche und eine überwiegend heidnische Bevölkerung zusammen.

Im Westen sind nur 7 Prozent der Erwachsenen, im Osten zehnmal so viele (66 Prozent) nicht getauft worden oder aus der Kirche ausgetreten.

Dem entsprechen die Antworten auf andere einschlägige Fragen. Daß es „Gott gibt“, glauben 61 von 100 West-Deutschen, aber nur 21 von 100 Ost-Deutschen. Jeder zweite im Westen, aber nur jeder siebte im Osten nimmt an, daß es ein Leben nach dem Tode gibt (51 gegenüber 14 Prozent).

Eine weitere Frage zeigt, daß östliche Heiden ihre Überzeugung ernster nehmen als westliche Christen. Die Frage, ob ihnen die Religion für ihr eigenes Leben etwas bedeute, verneinten 91 von 100 Konfessionslosen dort, aber auch 52 von 100 Protestanten und 40 von 100 Katholiken hier.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite