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Godesberger Programm der SPD (November 1959)

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Alle Vorrechte im Zugang zu Bildungseinrichtungen müssen beseitigt werden. Nur Begabung und Leistung sollen jedem den Aufstieg ermöglichen.

Freiheit und Gerechtigkeit lassen sich durch Institutionen allein nicht sichern. Alle Lebensbereiche werden zunehmend technisiert und organisiert. Dadurch entstehen immer neue Abhängigkeiten, die die Freiheit bedrohen. Nur ein vielgestaltiges wirtschaftliches, soziales und kulturelles Leben regt die schöpferischen Kräfte des einzelnen an, ohne die alles geistige Leben erstarrt.

Freiheit und Demokratie in der industriellen Gesellschaft sind nur denkbar, wenn eine ständig wachsende Zahl von Menschen ein gesellschaftliches Bewußtsein entwickelt und zur Mitverantwortung bereit ist. Ein entscheidendes Mittel dazu ist politische Bildung im weitesten Sinne. Sie ist ein wesentliches Ziel aller Erziehung in unserer Zeit.

Die staatliche Ordnung

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands lebt und wirkt im ganzen deutschen Volke. Sie steht zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. In seinem Sinne erstrebt sie die Einheit Deutschlands in gesicherter Freiheit.

Die Spaltung Deutschlands bedroht den Frieden. Ihre Überwindung ist lebensnotwendig für das deutsche Volk.

Erst in einem wiedervereinigten Deutschland wird das ganze Volk in freier Selbstbestimmung Inhalt und Form von Staat und Gesellschaft gestalten können.

Das Leben des Menschen, seine Würde und sein Gewissen sind dem Staate vorgegeben. Jeder Bürger hat die Überzeugung seiner Mitmenschen zu achten. Der Staat ist verpflichtet, die Freiheit des Glaubens und des Gewissens zu sichern.

Der Staat soll Vorbedingungen dafür schaffen, daß der einzelne sich in freier Selbstverantwortung und gesellschaftlicher Verpflichtung entfalten kann. Die Grundrechte sollen nicht nur die Freiheit des einzelnen gegenüber dem Staat sichern, sie sollen als gemeinschaftsbildende Rechte den Staat mitbegründen.

Als Sozialstaat hat er für seine Bürger Daseinsvorsorge zu treffen, und jedem die eigenverantwortliche Selbstbestimmung zu ermöglichen und die Entwicklung einer freiheitlichen Gesellschaft zu fördern.

Durch Verschmelzung des demokratischen mit dem sozialen und dem Rechtsgedanken soll der Staat zum Kulturstaat werden, der seine Inhalte von den gesellschaftlichen Kräften empfängt und dem schöpferischen Geist der Menschen dient.

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands bekennt sich zur Demokratie, in der die Staatsgewalt vom Volke ausgeht und die Regierung jederzeit dem Parlament verantwortlich und sich bewußt ist, daß sie ständig seines Vertrauens bedarf. In der Demokratie müssen die Rechte der Minderheit neben den Rechten der Mehrheit gewahrt werden. Regierung und Opposition haben verschiedene Aufgaben von gleichem Rang; beide tragen Verantwortung für den Staat.

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands will in gleichberechtigtem Wettstreit mit den anderen demokratischen Parteien die Mehrheit des Volkes gewinnen, um Staat und Gesellschaft nach den Grundforderungen des demokratischen Sozialismus zu formen.

Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung sind getrennt voneinander dem Wohle des Ganzen verpflichtet. Die Gliederung der öffentlichen Gewalt in Bund, Ländern und Gemeinden soll die Macht verteilen, die Freiheit stärken und dem Bürger durch Mitbestimmung und Mitverantwortung vielfachen Zugang zu den Institutionen der Demokratie geben. Freie Gemeinden sind unerläßlich für eine lebendige Demokratie. Deshalb bekennt sich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands zu den Grundsätzen der Gemeindefreiheit einschließlich der bürgerschaftlichen Selbstverwaltung, die weiter auszubauen und auch finanziell zu sichern sind.

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