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Geheimer Bericht der sowjetischen Militärführung über die Ereignisse vom 17.-19. Juni 1953 (24. Juni 1953)

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Im Verlauf des Tages des 17. Juni tauchten über verschiedenen Teilen des sowjetischen Sektors amerikanische Flugzeuge auf, aus denen Flugblätter abgeworfen wurden, die Aufrufe an die Bevölkerung enthielten, sich an den Streiks und Unruhen zu beteiligen und daran zu arbeiten, die Regierung der DDR zu stürzen. An der Zonengrenze tauchten bei verschiedenen Gelegenheiten mobile Lautsprecher auf, über die den Aufständischen Anweisungen gegeben wurden. Nach der Dislokation von Wachen an der Zonengrenze brachen mehrere große Gruppen von Provokateuren und Krawallmachern aus West-Berlin zum sowjetischen Sektor durch. In der Brauneckstraße und der Bernauer Straße begannen diese Gruppen einen Schusswechsel mit der deutschen Polizei, aus dem Opfer hervorgingen.

Am Abend des 17. Juni empfahl der amerikanische Radiosender RIAS in seinen Übertragungen den Aufständischen, sich den Anordnungen der sowjetischen Beamten zu unterwerfen und nicht mit sowjetischen Truppen aneinanderzugeraten.

Am 18. Juni streikten viele Fabriken in Gegenwart der militärischen Lage weiter. An etlichen Orten gab es Versuche, die Demonstrationen wieder aufzunehmen und Streikpostenketten zu bilden, die von den entschiedenen Handlungen der deutschen Polizei und zum Teil der sowjetischen Streitkräfte verhindert wurden, die alle wichtigen Punkte im östlichen Teil der Stadt sicherten. In den Beziehungen zwischen der Bevölkerung und dem sowjetischen Militär gab es ein erhebliches Gefühl der Entfremdung; tatsächlich dauerte es bis zum 22. Juni, bis die Partei eine Kampagne zur Wiederherstellung freundschaftlicher Beziehungen zwischen der Bevölkerung und unserem Militär durchführte.

Am 19./20. Juni begannen die Streiks stark abzuflauen und Normalität wurde hergestellt. Unter den streikenden Arbeitern in den Betrieben konnte jedoch ein Gefühl der Bitterkeit beobachtet werden. Es gab zahlreiche Beispiele von feindlichen Agenten und Provokateuren, die in den Betrieben arbeiteten. SED und SNM handelten weiterhin unentschlossen und schwach und bedienten sich hauptsächlich niedriger Funktionäre. Das SED-Stadtkomitee begann am 19. Juni, ebenso das SED-ZK, seine Mitarbeiter im großen Stil zu den Fabriken zu schicken, doch selbst an diesem Tag beschränkten sie sich in Übereinstimmung mit den Anweisungen Ulbrichts auf das Abhalten kleiner Versammlungen, da sie befürchteten, dass die Parteifunktionäre in großen Arbeiterversammlungen Widerstand ausgesetzt und ausgepfiffen würden. Am 19. Juni bestellten wir das gesamte SED-Stadtkomitee zu einer Besprechung ein und machten ihnen in unmissverständlichen Worten klar, dass es einen sofortigen und entschiedenen Schritt geben müsse, um alle in Berlin verfügbaren Parteikräfte in die Fabriken zu schicken, damit eine entsprechende Änderung der Stimmung bei den Arbeitern sichergestellt werden könne.

[Anm.: Weitere Abschnitte in Teil I des Berichts untersuchten „Die Situation in anderen Städten der DDR am 17.-19. Juni“, „Die Parolen und Forderungen der Demonstranten und Streikenden“, „Die Stimmung der Arbeiter“, „Das Verhalten anderer Gruppen. Die Intelligenz. Die ländlichen Gegenden. Die Kirche“ und „Die Partei. Parteiapparat. Parteiblock. Gesellschaftliche Organisationen.“ Teil II untersuchte „Die wirtschaftlichen Probleme denen die DDR angesichts der Ereignisse des 17.-19. Juni ausgesetzt ist.“]

III. Einige Schlüsse und Empfehlungen

Hinsichtlich des oben Erwähnten halten wir es für angebracht, die folgenden Maßnahmen zu ergreifen, um die Situation in der DDR zu korrigieren:

1. Den neuen politischen Kurs fest und beständig auszuführen, wie es in den Resolutionen der sowjetischen Regierung vom 6. Juni 1953 zur Normalisierung der politischen Situation in der DDR ausgeführt ist.

2. Unverzüglich Schritte zu unternehmen, um die Lebensmittelversorgung für die Bevölkerung der DDR radikal zu verbessern, indem man sie mit entsprechender Hilfe aus der Sowjetunion und anderen Volksdemokratien versorgt. In dieser Hinsicht sollte man bedenken, dass bisher die Arten der Unterstützung, einschließlich der von der Sowjetregierung am 24. Juni angeordneten zusätzlichen Lieferungen, auf Lebensmittelrationen und im 3. Quartal dieses Jahres auf minimalen kommerziellen Handel in den „KhO“-Geschäften beschränkt waren.

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