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Ein Bürgerrechtler beschreibt die Brutalität der Polizei in Dresden (7. Oktober 1989)

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In einem der Dresdener Objekte der Bereitschaftspolizei angekommen, wurde man vom LKW gerissen und geschlagen – vor allen diejenigen, welchen die Beine eingeschlafen waren und zwangsläufig stürzten.

Unter Gebrüll und vereinzelten Schlägen wurde man in LKW-Garagen getrieben.

Dort hatte man unter entwürdigenden Behandlungsmethoden ungefähr zwei Stunden auszuharren – breitbeinig und Hände im Nacken.

Alsdann wurden in einer den Sicherheitskräften adäquat erscheinenden Form die Festgenommenen in Unterkunftsräume getrieben.

Ich darf nicht unerwähnt lassen, daß die Benutzung der Toilette erlaubt werden konnte und ein Kessel mit Tee bereit stand.

Nach weiteren zwei Stunden erschienen Beamte des Strafvollzuges, ketteten jeweils zwei Männer mit Handschellen zusammen, stießen sie in bereitstehende Gefangenentransportfahrzeuge und fuhren die Festgenommenen in die Strafvollzugsanstalt Bautzen.

Bei der Einlieferung bzw. beim Begehen der Treppe in ein Obergeschoß – es war die alte Bautzner Gefängniskirche – wurde ich und all die anderen Festgenommenen im Rahmen eines so empfundenen Spießrutenlaufes erneut geschlagen. Allerdings letztmalig – zumindest was mich betraf.

Über das traurige und entmutigende Erleben im Gefängnis lasse ich mich im Rahmen dieses Berichtes nicht aus. Vielleicht nur so viel, daß alle in größeren Räumen des Sockelgeschosses eines Gefängnisflügels untergebrachten Gefangenen bzw. Festgenommenen das gleiche Schicksal hatten und niemand so recht wußte, weshalb er im Gefängnis saß.

Am Sonntagnachmittag wurde ich zum ersten Verhör gebracht. Am Sonntagabend fand das zweite Verhör statt und man eröffnete mir, daß gegen mich ein Ermittlungsverfahren wegen Zusammenrottung eingeleitet worden sei. In der Nacht vom Sonntag zum Montag erklärte mir der Haftrichter, daß für mich ein Haftbefehl vorliegt.

Am darauffolgenden Mittwoch fand gegen mich ein sogenanntes Gerichtsschnellverfahren statt. Der Staatsanwalt beantragte für den „Christlichen Bürger Steffen Altmann” – so die von mir derart verstandene Bezeichnung – eine Haftstrafe in Höhe von 14 Tagen.

Das Urteil des “Hohen Gerichtes” lautete allerdings auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens.

Am Donnerstag nachmittag wurde ich aus der Strafvollzugsanstalt Bautzen entlassen.

Seit Freitag, den 13.10.89 bin ich wegen traumatisch bedingten Kopfschmerz zunächst bis zum 27.10.1989 krank geschrieben.

Dresden, am 18.10.1989
Steffen Altmann, 48 Jahre




Quelle: Steffen Altmann, „Fünf Tage im Oktober“ (18. Oktober 1989), Stadtmuseum Dresden.

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