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Heimlich aufgezeichnete Unterhaltungen deutscher Kernphysiker auf Farm Hall (6./7. August 1945)

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9. Gerlach und Heisenberg hatten in Gerlachs Zimmer ein langes Gespräch, das sich die halbe Nacht hinzog. Im Laufe dieses Gesprächs wiederholten sie die meisten der Behauptungen, die während der allgemeinen Unterhaltung unten formuliert worden waren und über die bereits berichtet wurde. Im folgenden sind Auszüge aus dem Gespräch wiedergegeben:

GERLACH: Ich habe nie an die Bombe gedacht, ich wollte lediglich, daß wir alles Mögliche unternehmen, um Hahns Entdeckung für unser Land weiterzuentwickeln.

[ . . . ]

HEISENBERG: Ich bin noch immer überzeugt, daß unser Ziel wirklich richtig war und daß die Tatsache, daß wir uns auf das Uran konzentrierten, uns vielleicht die Chance einer Zusammenarbeit gibt. Ich glaube, diese Uransache wird den Angelsachsen eine so ungeheure Macht verschaffen, daß Europa zu einem Block unter angelsächsischer Vorherrschaft wird. Falls das zutrifft, wird es eine sehr gute Sache sein. Ich frage mich, ob Stalin sich gegen die anderen wird behaupten können, wie er es in der Vergangenheit getan hat.

[ . . . ]

GERLACH: Wenn Deutschland eine Waffe besessen hätte, mit der der Krieg gewonnen worden wäre, dann wäre Deutschland im Recht und die anderen im Unrecht – und ob die Verhältnisse in Deutschland jetzt besser sind, als sie es nach einem Sieg Hitlers gewesen wären?

HEISENBERG: Ich glaube nicht. Andererseits sind die Tage der kleinen Länder vorbei. Angenommen, Hitler wäre es gelungen, sein Europa zu schaffen, und es hätte in Europa kein Uran gegeben.

GERLACH: Wenn wir wirklich eine Uranmaschine geplant hätten – im Sommer 1944 hätten wir eine Bombe noch nicht gehabt – und das wäre propagandistisch richtig ausgeschlachtet worden–

HARTECK: – dann hätte das eine Basis für Verhandlungen sein können. Es wäre eine Verhandlungsgrundlage für jede deutsche Regierung gewesen, aber nicht für Hitler.

GERLACH: Ich rannte mit offenen Augen in mein Verderben, aber ich glaubte die deutsche Physik und die deutschen Physiker retten zu können, und das ist mir ja auch gelungen.

HEISENBERG: Vielleicht kann die deutsche Physik als Teil in einer großen westlichen Gruppe mitarbeiten.

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HEISENBERG: Mir scheint es am vernünftigsten zu sein, daß wir versuchen, mit den Angelsachsen zusammenzuarbeiten. Wir können das jetzt mit einem besseren Gewissen tun, weil man sieht, daß sie wahrscheinlich Europa beherrschen werden. Es ist klar, daß Leute wie Chadwick und Cherwell beträchtlichen Einfluß haben.

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10. Wirtz und Weizsäcker diskutierten in ihrem Zimmer gemeinsam über die Situation. Von Weizsäcker drückte dabei die Meinung aus, daß keiner von ihnen wirklich am Uran gearbeitet habe, mit Ausnahme von Wirtz und Harteck. Ferner beschuldigte er Gerlach und Diebner der Sabotage. Wirtz drückte Entsetzen darüber aus, daß die Alliierten die neue Waffe eingesetzt hatten. Sie sprachen des weiteren über die Möglichkeit, daß die Russen das Geheimnis entdecken könnten, und kamen zu dem Schluß, daß es ihnen nicht vor Ablauf von zehn Jahren gelingen würde. Das Gespräch nahm dann wie folgt seinen Fortgang:

WIRTZ: Mir scheint, daß die politische Situation sich für Stalin jetzt völlig geändert hat.

WEIZSÄCKER: Hoffentlich. Stalin hat sie gewiß noch nicht. Wären die Amerikaner und die Briten wirkliche Imperialisten, würden sie morgen mit dem Ding Stalin angreifen. Sie werden das aber nicht tun, weil sie die Bombe als politische Waffe benutzen. Das ist natürlich gut so, doch wird das Ergebnis ein Friede sein, der so lange hält, bis die Russen sie auch haben, und dann wird es sicher Krieg geben.

In diesem Augenblick trat Heisenberg zu Wirtz und Weizsäcker. Es fielen die folgenden Äußerungen:

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WEIZSÄCKER: Unsere Stärke ist jetzt die Tatsache, daß wir «Nicht-Nazis» sind.

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