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Bericht des Reichsjustizministeriums über das Auftreten und die Bekämpfung „jugendlicher Cliquen und Banden” (Anfang 1944)

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Zu b): Liberalistisch-individualistische Cliquen

Sie nehmen ihren Ursprung in Norddeutschland, namentlich in Hamburg. Die auffälligste Erscheinung unter diesen gefährdeten Gruppen ist die sog. Swing-Jugend, über die aus verschiedenen Teilen des Reiches berichtet wird. Ihren Ausgangspunkt hat sie in Hamburg. Diese Cliquen gehen vom Drang zum Amüsieren aus und nehmen fortlaufend einen ans Kriminell-Asoziale grenzenden Charakter an. Bereits vor dem Kriege schlossen sich in Hamburg Jungen und Mädchen zusammen, die mehr aus sozial bessergestellten Schichten stammten, auffällig lässige Kleidung trugen und für englische Musik und englischen Tanz schwärmten. Von der Flottbecker Clique wurden um die Jahreswende 1939-1940 geschlossene Tanzfeste veranstaltet, die von 5-600 Jugendlichen besucht wurden und sich durch einen hemmungslosen Swing-Betrieb hervorhoben. Nach dem Tanzverbot wurden Hausfeste veranstaltet, in denen vor allem sexuelle Ausschweifungen vorkamen. Die gesamte Lebensführung dieser Mitglieder kostete erhebliches Geld, welches sie sich durch strafbare Handlungen, insbesondere durch Diebstähle zu verschaffen suchten. Die Sucht nach englischer Tanzmusik und nach eigenen Tanzkapellen führte namentlich zu Einbrüchen in Musikaliengeschäften. Die Gier nach dem ihnen vornehm erscheinenden Leben in Klubs, Barbetrieben, Kaffeehäusern und Hausbällen verdrängte jeden Willen zu einer positiven Einstellung gegenüber den Zeiterfordernissen. Die Leistungen unserer Wehrmacht ließen sie unberührt, die Gefallenen wurden zum Teil verächtlich gemacht. Eine wehrfeindliche Einstellung ist hiernach deutlich erkennbar.

Nach außen hin treten die Mitglieder in an die englische Mode angelehnten Kleidern in Erscheinung. So tragen sie vielfach geschlitzte Jacken in schottischen Mustern und führen den Regenschirm mit sich. Als Abzeichen haben sie einen farbigen Frackhemdknopf im Rockaufschlag. Der Engländer wird von ihnen als die höchste Entwicklungsstufe betrachtet. Der falsch verstandene Begriff der Freiheit führt sie in Opposition zur HJ.

Diese Cliquen haben sich, zum Teil als Folgeerscheinung der Evakuierungsmaßnahmen, auch auf anderes Gebiet übertragen. So gab es z.B. in Frankfurt a.M. den Harlem-Klub, bei dem Hausbälle übelster Art an der Tagesordnung waren. Wechselnder Geschlechtsverkehr wurde auch von den jüngsten weiblichen Mitgliedern hingenommen. Alkoholische Ekzesse [sic] gaben diesen Festen, bei denen »geswingt« und »gehottet« wurde, das Gepräge.

Zu c): Kriminell-Asoziale Banden

Diese Vereinigungen zeigen keine Besonderheiten. Sie sind ein Zeichen typischer, zum Teil kriegsbedingter Verwahrlosung. Ihre Mitglieder setzen sich fast ausnahmslos aus Abkömmlingen erbbiologisch minderwertiger, asozialer Sippen zusammen. Ihre persönliche Note zeigt meist ein gleiches Bild: unbestraft, willensschwach oder aber sehr aktiv (Rädelsführer), ungeartet, die Gemütsseite wenig entwickelt, mitunter schwachsinnig oder psychopathisch. Verführte Jugendliche aus sozial besser gestellten Schichten mit guten Gaben findet man so gut wie gar nicht unter ihnen. Bewußte weltanschauliche Ziele kennen sie nicht. Sie scharen sich kritiklos um einen Anführer, dem sie sich mitunter völlig unterwerfen.

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