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Der württembergische Demokrat Ludwig Pfau zum deutschen Föderalismus (1864/1895)

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Was auch kommen mag, jedenfalls sind unsere Bestrebungen Vorarbeiten für die Zukunft. Die Geschichte ist unsere Vorsehung, das Recht ist unser Papst und der freie Wille ist unser Kaiser. Die Vernunft allein ist von Gottes Gnaden, sie ist mächtiger als alle Fürsten der Erde; ihr Wille wird geschehen, und zu uns kommen wird ihr Reich – Amen.

Als wir diese Worte vor dreißig Jahren schrieben, erbosten sich die Hegemonisten nicht wenig über die Schärfe unseres lateinischen Mottos, obwohl jeder ehrliche Mann begriff, daß es cum grano salis zu verstehen und nicht im Sinne der Catonischen Zerstörung Karthagos aufzufassen sei. Es wollte nur einen lebhaften Ausdruck der richtigen Einsicht geben, daß die Entwicklung eines freien Deutschlands nicht möglich ist ohne die Beseitigung der preußischen Gewaltherrschaft; es verlangte, nur mit etwas streitbareren Worten, das, was Friedrich Wilhelm IV. am 21. März 1848 versprach, (aber natürlich nicht hielt) als er bei seinem Umzug mit der deutschen Fahne sagte: „Preußen geht fortan in Deutschland auf.“ Und heute, nachdem die Nation auf die warnende Stimme der föderalistischen Demokratie nicht gehört, und das Argument der Bajonette vorerst recht behalten hat; nachdem das preußische Kaiserthum gekommen ist und – wie wir dies vorhergesagt – die deutsche Freiheit nicht gebracht, wohl aber das bischen bayerische, schwäbische, badische, hessische Freiheit geholt hat, um die hergebrachte absolutistische Vergewaltigung von Recht und Gerechtigkeit fortzusetzen – schreiben wir auf den alten Sockel des neuen Reichs von neuem den alten Spruch:

„Ceterum censeo Borussiam esse delendam.“

Das heißt: „Preußen muß in Deutschland aufgehen.“



Quelle: Ludwig Pfau, “Centralisation und Föderation,” Der Beobachter, April 23/29, 1864.

Revidiert und neu veröffentlicht als “Centralisation oder Föderation?” in Ludwig Pfau, Politisches und Polemisches aus den nachgelassenen Schriften. Stuttgart: Dr. Foerster & Cie, 1895, S. 151-74.

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