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Der württembergische Demokrat Ludwig Pfau zum deutschen Föderalismus (1864/1895)

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„Wenn wir nur erst die Einheit haben, die Freiheit wird dann schon kommen.“ Diese absurde Phrase muß man jeden Tag hören. Wenn Leute, die so sprechen, nicht mit ihren Begriffen spielen würden, wie Knaben mit Kieselsteinen, ohne zu fragen, woher sie kommen und aus was sie bestehen, so müßten sie offenbar ihren Satz umkehren und sagen: Wenn wir nur erst die Freiheit haben, so haben wir auch die Einheit. An dem Tage, wo die deutschen Einzelstaaten frei sind, hindert sie nichts, ein Parlament zu berufen und ihre Einheit zu verwirklichen. Wie soll dagegen aus einer gewaltsam hergestellten Einheit die Freiheit sich entwickeln? Und welchen Wert hat überhaupt eine solche Bereinigung, die zu immer neuen Uneinigkeiten führen müßte, bis diese Einheit des Despotismus wieder beseitigt wäre, um der Einheit der Freiheit Platz zu machen. Gerade die falsche Einheit, die ohne Gliederung und also keine ist, muß man bekämpfen, um die wahre, die Vielheit in sich schließende Einheit zu erringen und wenn der Bestand der Freiheit andern Mächten gegenüber der Einheit bedarf, so ist dies kein Grund, die äußere Machtstellung mit dem Ruin der innern Wohlfahrt zu erkaufen. Die Einheit ist nichts als ein Mittel, Zweck ist nur die Freiheit. Nichts aber ist in allen Verhältnissen thörichter und verderblicher, als das Mittel zum Zweck zu machen, und im politischen Leben gibt es keinen schlimmern Irrthum, als die Einheit mit der Freiheit zu bezahlen.

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Man hat das Programm der Volkspartei – Koalition und Parlament der Mittelstaaten – eine Trias geheißen und dessen Ausführung für unmöglich erklärt. Die Koalition der Mittelstaaten aber ist nicht jene von Professorendünkel und Fürstendienerei im geschändeten Bette der Revolution gezeugte Trias: sie ist kein Endziel, sondern ein Anfang, kein Zweck, sondern ein Mittel; sie will nur ein erster Kern sein, um den sich die übrigen Stämme gruppiren können. Und was die Möglichkeit betrifft – ist etwa ein deutsches Parlament – d. h. eine Volksvertretung die ein germanisches Regiment führt, statt einem borussischen zu gehorchen – unter preußischen Auspicien möglich? Wie denken sich denn die Herren Hegemonisten ihre königlich preußische deutsche Einheit? Offenes Junkerregiment und verkapptes Faustrecht! Ein Bund der Mittelstaaten sei unmöglich ohne das Anlehnen ans Ausland? Glaubt man denn, das Ausland werde ruhig zusehen, wie Preußen nach Herzenslust annectirt? Oder Oesterreich werde mit seinem feindlichen Bruder nicht theilen wollen? Sehen denn diese Nachzügler einer andern Periode nicht ein, daß im Gegentheil jede staatliche Veränderung durch Fürstengewalt unausbleibliche europäische Conflikte nach sich zieht, und daß es nur eine Macht giebt, gegen welche das Ausland nicht einzuschreiten wagt, Seine Majestät das Volk nämlich, das sein Haus allerhöchst selbst bestellt im Namen seiner nationalen Souveränität? Wir sollen darauf hinwirken, daß Preußen seine Mission begreife, sagt man uns. Saubere Logik das! Also die Macht, uns gegen den Willen Preußens zu konstituiren spricht man uns ab; aber die Macht, Preußens Politik zu bestimmen, muthet man uns zu! Man will uns nicht glauben, daß wir kleine Staaten im Stande sind, den Großmächten gegenüber unser politisches Leben selbständig zu entfalten, jetzt wo wir die Arme noch frei haben; und will uns weis machen, daß wir der preußischen Oberherrschaft diese Entfaltung abzwingen werden, wenn wir von ihr gefesselt und geknebelt sind! Man meint wahrhaftig, man befinde sich in einem Narrenhaus.

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