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Kronprinz Friedrich Wilhelm beschreibt ein Treffen des preußischen Staatsrats (17. Januar 1871)

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Die Frage der Reichsfarben erregte wenig Bedenken, da der König nichts Wesentliches gegen eine schwarzweißrote Kokarde einwandte, um so weniger als, wie er sich ausdrückte, selbige nicht wie die schwarzrotgoldene aus dem Straßenschmutz erstiegen wäre; doch würde er obige dreifarbige nur neben der preußischen dulden.

Das von Graf Bismarck und mir vorgeschlagene Wappen fand nicht Widerspruch, ward aber auch nicht ausdrücklich angenommen.

Je deutlicher sich nun aber die Konsequenzen von „Kaiser und Reich“ im Lauf der Verhandlungen zeigten, desto aufgebrachter wurde der König. Schließlich brach er in die Worte aus, nur ein Scheinkaisertum übernähme er, nichts weiter als eine andere Bezeichnung für „Präsident“; er müßte sich mit einem Major vergleichen, dem der „Charakter als Oberstleutnant“ verliehen worden sei. Nun es soweit gekommen wäre, müßte er zwar dieses Kreuz tragen, doch wollte er dafür auch der alleinige sein, weshalb er sich verbäte, daß man von ihm erwarte, der preußischen Armee eine gleiche Zumutung wie seiner eigenen Person zu machen; er wolle daher nichts von einem „Kaiserlichen Heere“ hören, weil er wenigstens unsere Armee vor dergleichen bewahren möchte und nicht dulden könnte, daß die Truppen gar „deutsche“ Namen und Bezeichnungen sich gefallen lassen müßten. Die Marine möge „die Kaiserliche“ genannt werden. Ferner sagte er in äußerster Aufregung, er könne uns gar nicht schildern, in welcher verzweifelten Stimmung er sich befände, da er morgen von dem alten Preußen, an welchem er allein festhielte und fernerhin auch festhalten wollte, Abschied nehmen müßte. Hier unterbrachen Schluchzen und Weinen seine Worte.

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Unverrichteter Sache und einer den anderen fragend, was nun eigentlich geschehen würde, verließen wir die Präfektur. Unter solchen Eindrücken leiteten wir die zu morgen angesetzte großartige deutsche Feier ein!



Quelle: Kaiser Friedrich III. Tagebücher von 1848-1866, Hg. Heinrich Otto Meisner. Leipzig: R.F. Koehler, 1926.

Abgedruckt in Johannes Hohlfeld, Deutsche Reichsgeschichte in Dokumenten 1849-1926, 2 Bde. Berlin: Deutsche Verlagsgesellschaft für Politik und Geschichte, 1927, Bd. 1, S. 69-76.

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