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Gerhart Hauptmann, Vor Sonnenaufgang, Uraufführung und skandalträchtige Aufnahme durch das Publikum (20. Oktober 1889)

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HOFFMANN. Mir zu Liebe!

Hoffmann will eingießen, Loth wehrt ab; es entsteht ein kleines Handgemenge.

LOTH. Nein! . . . nein, wie gesagt . . . nein! . . . nein, danke.

HOFFMANN. Aber nimm mir’s nicht übel . . . das ist eine Marotte.

KAHL,* zu Frau Spiller. Wer nich will, dar hat schunn. Frau Spiller nickt ergeben.

HOFFMANN. Übrigens, des Menschen Wille** . . . und so weiter. Soviel sage ich nur: ohne ein Glas Wein bei Tisch . . .

LOTH. Ein Glas Bier zum Frühstück . . .

HOFFMANN. Nun ja, warum nicht? Ein Glas Bier ist was sehr Gesundes.

LOTH. Einen Kognak hie und da . . .

HOFFMANN. Na, wenn man das nicht mal haben sollte . . . zum Asketen machst du mich nun und nimmer. Das heißt ja dem Leben allen Reiz nehmen.

LOTH. Das kann ich nicht sagen. Ich bin mit den normalen Reizen, die mein Nervensystem treffen, durchaus zufrieden.

HOFFMANN. Eine Gesellschaft, die trockenen Gaumens beisammenhockt, ist und bleibt eine verzweifelt öde und langweilige —, für die ich mich im allgemeinen bedanke.

FRAU KRAUSE.*** Bei a Adlijen wird doch auch a so viel getrunk’n.

FRAU SPILLER, durch eine Verbeugung des Oberkörpers ergebenst bestätigend. Es ist Schentelmen+ leicht, viel Wein zu trinken.

LOTH, zu Hoffmann. Mir geht es umgekehrt; mich langweilt im allgemeinen eine Tafel, an der viel getrunken wird.

HOFFMANN. Es muß natürlich mäßig geschehen.

LOTH. Was nennst du mäßig?

HOFFMANN. Nun . . . daß man noch immer bei Besinnung bleibt.

LOTH. Aaah! . . . also du gibst zu: die Besinnung ist im allgemeinen durch den Alkoholgenuß sehr gefährdet. — Siehst du! deshalb sind mir Kneiptafeln — langweilig.

HOFFMANN. Fürchtest du denn, so leicht deine Besinnung zu verlieren?

KAHL.++ Iiii . . . .i..ich habe n..n..neulich ene Flasche Rrr . . . r..rü..rüd..desheimer, ene Flasche Sssssekt get..t..trunken. Obendraufd..d..d..ann n..och eine Flasche B..b..bordeaux, aber besuffen woar ich no n..nich.


* ‘KAHL. Wer nicht will, der hat schon’.
** des Menschen Wille: ‘... ist sein Himmelreich’.
*** ‘FRAU KRAUSE. Bei den Adligen wird doch auch so viel getrunken.’
+ Schentelmen: ‘gentlemen’.
++ ‘KAHL. Ich habe neulich eine Flasche Rüdesheimer, eine Flasche Sekt getrunken. Obendrauf dann noch eine Flasche Bordeaux, aber besoffen war ich nicht.’

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