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Bismarcks Erinnerungen an die Ereignisse des Abend, an dem die Emser Depesche redigiert wurde (13. Juli 1870)

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„Nachdem die Nachrichten von der Entsagung des Erbprinzen von Hohenzollern der kaiserlich französischen Regirung von der königlich spanischen amtlich mitgetheilt worden sind, hat der französische Botschafter in Ems an Seine Majestät den König noch die Forderung gestellt, ihn zu autorisiren, daß er nach Paris telegraphire, daß Seine Majestät der König sich für alle Zukunft verpflichte, niemals wieder seine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Candidatur wieder zurückkommen sollten. Seine Majestät der König hat es darauf abgelehnt, den französischen Botschafter nochmals zu empfangen, und demselben durch den Adjutanten vom Dienst sagen lassen, daß Seine Majestät dem Botschafter nichts weiter mitzutheilen habe.“ Der Unterschied in der Wirkung des gekürzten Textes der Emser Depesche im Vergleich mit der, welche das Original hervorgerufen hätte, war kein Ergebniß stärkerer Worte, sondern der Form, welche diese Kundgebung als eine abschließende erscheinen ließ, während die Redaction Abekens nur als ein Bruchstück einer schwebenden und in Berlin fortzusetzenden Verhandlung erschienen sein würde.

Nachdem ich meinen beiden Gästen die concentrirte Redaction vorgelesen hatte, bemerkte Moltke: „So hat das einen andern Klang, vorher klang es wie Chamade, jetzt wie eine Fanfare in Antwort auf eine Herausforderung.“ Ich erläuterte: „Wenn ich diesen Text, welcher keine Aenderungen und keinen Zusatz des Telegramms enthält, in Ausführung des Allerhöchsten Auftrags sofort nicht nur an die Zeitungen, sondern auch telegraphisch an alle unsre Gesandschaften mittheile, so wird er vor Mitternacht in Paris bekannt sein und dort nicht nur wegen des Inhaltes, sondern auch wegen der Art der Verbreitung den Eindruck des rothen Tuches auf den gallischen Stier machen. Schlagen müssen wir, wenn wir nicht die Rolle des Geschlagenen ohne Kampf auf uns nehmen wollen. Der Erfolg hängt aber doch wesentlich von den Eindrücken bei uns und Andern ab, die der Ursprung des Krieges hervorruft; es ist wichtig, daß wir die Angegriffenen seien, und die gallische Ueberhebung und Reizbarkeit wird uns dazu machen, wenn wir mit europäischer Oeffentlichkeit, so weit es uns ohne das Sprachrohr des Reichstags möglich ist, verkünden, daß wir den öffentlichen Drohungen Frankreichs furchtlos entgegentreten.“

Diese meine Auseinandersetzung erzeugte bei den beiden Generalen einen Umschlag zu freudiger Stimmung, dessen Lebhaftigkeit mich überraschte. Sie hatten plötzlich die Lust zu essen und zu trinken wiedergefunden und sprachen in heiterer Laune. Roon sagte: „Der alte Gott lebt noch und wird uns nicht in Schande verkommen lassen.“ Moltke trat so weit aus seiner gleichmüthigen Passivität heraus, daß er sich, mit freudigem Blick gegen die Zimmerdecke und mit Verzicht auf seine sonstige Gemessenheit in Worten, mit der Hand vor die Brust schlug und sagte: „Wenn ich das noch erlebe, in solchem Kriege unsre Heere zu führen, so mag gleich nachher ‚die alte Carcasse’ der Teufel holen.“ Er war damals hinfälliger als später und hatte Zweifel, ob er die Strapazen des Feldzugs überleben werde.



Quelle: Otto von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. Stuttgart: J.G. Cotta Nachfolger, 1898, Bd. 2, S. 87-92.

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