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Die Beschreibung der antisemitischen Verfolgung und der „Kristallnacht” sowie ihrer Folgen in der Region Stuttgart durch den amerikanischen Konsul Samuel Honaker (12. November und 15. November 1938)

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Brennende Synagogen

Am frühen Morgen des 10. November waren praktisch alle Synagogen – mindestens jedoch zwölf an der Zahl – in Württemberg, Baden und Hohenzollern von gut organisierten und anscheinend bestens ausgestatteten jungen Männern in Zivil in Brand gesteckt worden. Das Vorgehen nahm praktisch in allen Städten der Region denselben Ablauf, namentlich in Stuttgart, Karlsruhe, Freiburg, Heidelberg, Heilbronn und so weiter. Die Türen der Synagogen wurden aufgebrochen. Bestimmte Teile des Gebäudes und der Einrichtung wurden mit Benzin übergossen und angezündet. Bibeln, Gebetbücher und alle heiligen Gegenstände wurden in die Flammen geworfen. Danach verständigte man die örtliche Feuerwehr. In Stuttgart ordneten die Stadtoberen der Feuerwehr an, die Archive und anderes schriftliches Material im Zusammenhang mit der Bevölkerungsstatistik zu retten. Ansonsten beschränkte sich die Feuerwehr darauf, zu verhindern, dass sich das Feuer ausbreitete. Innerhalb weniger Stunden waren die Synagogen mehr oder weniger ein Haufen rauchender Ruinen.

Verwüstung jüdischer Geschäfte

Praktisch alle jüdischen Geschäfte im Stuttgarter Konsularbezirk wurden nachweislich angegriffen, geplündert und verwüstet. Diese Handlungen wurden von jungen Männern und halbwüchsigen Burschen ausgeführt. Unter der Zivilkleidung ersterer konnte man leicht die geschulten und organisierten SA- und SS-Männer erkennen, während bei letzteren in manchen Fällen die Uniform der Hitlerjugend gesehen wurde. Die jungen Männer erfüllten ihre Aufgabe überwiegend ruhig und effizient. Zuerst zerschlugen sie die Schaufenster, zerstörten die Einrichtung und begannen dann, die Waren auf die Straße zu werfen. Währenddessen stand die Polizei entweder lächelnd oder unbeteiligt daneben.

Die meisten jüdischen Läden in Stuttgart liegen im Geschäftsviertel der Stadt. In der Königstraße, der Hauptgeschäftsstraße, wurden keine Plünderungen beobachtet, in den Seitenstraßen jedoch sehr wohl. Vor einem Geschäft sah man Leute, die Schuhe anprobierten, die auf die Straße geworfen worden waren. Bevor das Café Heimann zertrümmert wurde, bedienten sich die Leute an Kuchen und dergleichen.

Im Folgenden eine Liste der in Stuttgart stark in Mitleidenschaft gezogenen Geschäfte:

Name der Firma Adresse Hauptgeschäftszweig
Bamberger& Hertz Poststraße 2 Kleidung
Bloch Rotebühlstraße 1 Restaurant
Jacobs Hauptstätterstraße 32 Radios
Katz Leonhardsplatz 6 Schuhe
Robert Marktstraße 8 Kleidung
Salberg Königstraße 56 Fotograf
Scheinmann Königstraße 45 Schuhe
Speier Königstraße 58 Schuhe
Speier Marktplatz 4 Schuhe
Tanne Tübingerstraße 6 Warenhaus
Ika Königstraße 21 Damenwäsche

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