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„Mit brennender Sorge”: Enzyklika über die Lage der katholischen Kirche im Deutschen Reich (14. März 1937)

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In Euren Gegenden, Ehrwürdige Brüder, werden in immer stärkerem Chor Stimmen laut, die zum Austritt aus der Kirche aufrufen. Unter den Wortführern sind vielfach solche, die durch ihre amtliche Stellung den Eindruck zu erwecken suchen, als ob dieser Kirchenaustritt und die damit verbundene Treulosigkeit gegen Christus den König eine besonders überzeugende und verdienstvolle Form des Treubekenntnisses zu dem gegenwärtigen Staate darstelle. Mit verhüllten und sichtbaren Zwangsmaßnahmen, Einschüchterungen, Inaussichtstellung wirtschaftlicher, beruflicher, bürgerlicher und sonstiger Nachteile wird die Glaubenstreue der Katholiken und insbesondere gewisser Klassen katholischer Beamten unter einen Druck gesetzt, der ebenso rechtswidrig wie menschlich unwürdig ist. Unser ganzes väterliches Mitgefühl und tiefstes Mitleid begleitet diejenigen, die ihre Treue zu Christus und Kirche um so hohen Preis bezahlen müssen. Aber – hier ist der Punkt erreicht, wo es um Letztes und Höchstes, um Rettung oder Untergang geht, und wo infolgedessen den Gläubigen der Weg heldenmütigen Starkmutes der einzige Weg des Heiles ist. Wenn der Versucher oder Unterdrücker an ihn herantritt mit dem Judasansinnen des Kirchenaustritts, dann kann er ihm nur – auch um den Preis schwerer irdischer Opfer – das Heilandswort entgegenhalten: »Weiche von mir, Satan, denn es steht geschrieben: den Herrn deinen Gott sollst du anbeten und Ihm allein dienen« (Matth. 4, 10; Luc. 4,8). Zu der Kirche aber wird er sprechen: Du meine Mutter von den Tagen meiner Kindheit an, mein Trost im Leben, meine Fürbitterin im Sterben –mir soll die Zunge am Gaumen kleben, wenn ich, irdischen Lockungen oder Drohungen weichend, an meinem Taufgelübde zum Verräter würde. Solchen aber, die vermeinen, sie könnten mit äußerlichem Kirchenaustritt das innere Treuverhältnis zur Kirche verbinden, möge des Heilands Wort ernste Warnung sein: »Wer mich vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater verleugnen, der im Himmel ist« (Luc. 12,9).

Reiner Glaube an den Primat

Der Kirchenglaube wird nicht rein und unverfälscht erhalten, wenn er nicht gestützt wird vom Glauben an den Primat des Bischofs von Rom. In dem gleichen Augenblick, wo Petrus, allen Aposteln und Jüngern voran, den Glauben an Christus, den Sohn des lebendigen Gottes bekannte, war die seinen Glauben und sein Bekenntnis belohnende Antwort Christi das Wort von dem Bau Seiner Kirche, der einen Kirche, und zwar auf Petrus dem Felsen (Matth. 16,18). Der Glaube an Christus, an die Kirche, an den Primat stehen also miteinander in einem geheiligten Zusammenhang. Echte und legale Autorität ist überall ein Band der Einheit, eine Quelle der Kraft, eine Gewähr gegen Zerfall und Splitterung, eine Bürgschaft der Zukunft; im höchsten und hehrsten Sinne da, wo, wie einzig bei der Kirche, solcher Autorität die Gnadenführung des Heiligen Geistes, Sein unüberwindlicher Beistand verheißen ist. Wenn Leute, die nicht einmal im Glauben an Christus einig sind, Euch das Wunsch- und Lockbild einer deutschen Nationalkirche vorhalten, so wisset: Sie ist nichts als eine Verneinung der einen Kirche Christi, ein offenkundiger Abfall von dem an die ganze Welt gerichteten Missionsbefehl, dem nur eine Weltkirche genügen und nachleben kann. Der geschichtliche Weg anderer Nationalkirchen, ihre geistige Erstarrung, ihre Umklammerung oder Knechtung durch irdische Gewalten zeigen die hoffnungslose Unfruchtbarkeit, der jeder vom lebendigen Weinstock der Kirche sich abtrennende Rebzweig mit unentrinnbarer Sicherheit anheimfällt. Wer solchen Fehlentwicklungen daher gleich von den ersten Anfängen an sein wachsames und unerbittliches Nein entgegensetzt, dient nicht nur der Reinheit seines Christenglaubens, sondern auch der Gesundheit und Lebenskraft seines Volkes.

Keine Umdeutung heiliger Worte und Begriffe

Ein besonders wachsames Auge, Ehrwürdige Brüder, werdet Ihr haben müssen, wenn religiöse Grundbegriffe ihres Wesensinhaltes beraubt und in einem profanen Sinne umgedeutet werden.

Offenbarung im christlichen Sinn ist das Wort Gottes an die Menschen. Dieses gleiche Wort zu gebrauchen für die »Einflüsterungen« von Blut und Rasse, für die Ausstrahlungen der Geschichte eines Volkes, ist in jedem Fall verwirrend. Solch falsche Münze verdient nicht, in den Sprachschatz eines gläubigen Christen überzugehen.

Glaube ist das sichere Fürwahrhalten dessen, was Gott geoffenbart hat und durch die Kirche zu glauben vorstellt: »die feste Überzeugung vom Unsichtbaren« (Hebr. 11,1). Das freudige und stolze Vertrauen auf die Zukunft seines Volkes, das jedem teuer ist, bedeutet etwas ganz anderes als der Glaube im religiösen Sinne. Das eine gegen das andere ausspielen, das eine durch das andere ersetzen wollen und daraufhin verlangen, von dem überzeugten Christen als »gläubig« anerkannt zu werden, ist ein leeres Spiel mit Worten oder bewußte Grenzverwischung oder Schlimmeres.

Unsterblichkeit im christlichen Sinn ist das Fortleben des Menschen nach dem irdischen Tode als persönliches Einzelwesen – zum ewigen Lohn oder zur ewigen Strafe. Wer mit dem Wort Unsterblichkeit nichts anderes bezeichnen will als das kollektive Mitfortleben im Weiterbestand seines Volkes für eine unbestimmt lange Zukunft im Diesseits, der verkehrt und verfälscht eine der Grundwahrheiten christlichen Glaubens, rührt an die Fundamente jeder religiösen, eine sittliche Weltordnung fordernden Weltanschauung. Wenn er nicht Christ sein will, sollte er wenigstens darauf verzichten, den Wortschatz seines Unglaubens aus christlichem Begriffsgut zu bereichern.

Erbsünde ist die erbliche, wenn auch nicht persönliche Schuld der Nachkommen Adams, die in ihm gesündigt haben (Röm. 5,12), Verlust der Gnade und damit des ewigen Lebens, mit dem Hang zum Bösen, den jeder durch Gnade, Buße, Kampf, sittliches Streben zurückdrängen und überwinden muß. Das Leiden und Sterben des Gottessohnes hat die Welt vom Erbfluch der Sünde und des Todes erlöst. Der Glaube an diese Wahrheiten, denen heute in Eurem Vaterlande der billige Spott der Christusgegner gilt, gehört zum unveräußerlichen Bestand der christlichen Religion.

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