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Bericht von George Messersmith an das State Department [US-Außenministerium] zum gegenwärtigen Stand der antisemitischen Bewegung in Deutschland (21. September 1933)

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„Durch den Sieg der nationalsozialistischen Revolution ist die Judenfrage als Problem auch für diejenigen, die sich um die Lösung der Judenfrage noch nicht bemüht haben, nie darum gekämpft haben, erkennbar geworden. Jeder hat eingesehen, der gegenwärtige Zustand ist unhaltbar, die freie Entfaltung und Gleichsetzung der Juden führt zu einem von den Juden „unfair“ ausgenutzten Wettbewerb und zu einer Auslieferung wichtiger Stellungen des deutschen Volkstums an die Fremdrassigen. [ . . . ] Und diese Entstellung der Judenfrage darf man nicht einmal durch den oberflächlichen Anschein unterstützen, zumal es politischer Wahnsinn wäre, die innerdeutsche Regelung der Judenfrage mit außenpolitischen Fragen zu verquicken. [ . . . ] Alle Vorschläge, die einen Dauerzustand, eine Dauerregelung für die Juden in Deutschland beabsichtigen, lösen die Judenfrage nicht, denn sie lösen die Juden nicht von Deutschland. Und darauf kommt es an. Die Juden, wenn sie auf ewig bei ihren Wirtsvölkern schmarotzen können, bleiben ein ständiger Brandherd, an dem das offene, zerstörende Feuer des Bolschewismus leicht immer wieder entzündet werden kann. [ . . . ] Unseren Staat müssen wir ohne die Juden aufbauen, sie können nur staatenlose Fremdlinge bleiben und eine gesetzliche, rechtliche Dauerstellung beziehen. Nur so wird Ahasver gezwungen, zum letzten Mal den Wanderstab zu ergreifen, um ihn dann in Axt und Spaten umzutauschen“.

Seit meinem letzten Bericht an das State Department zu diesem Thema hat sich die Lage der Juden in Deutschland keineswegs gebessert. Im Gegenteil, ihre Situation verschlechtert sich zunehmend. Die in meinen früheren Berichten geschilderten Umstände bestehen fort, und in der inzwischen verstrichenen Zeit kann man deutlicher die Unerbittlichkeit erkennen, mit der die verschiedenen die Juden betreffenden Gesetze und Erlässe in praktisch allen Bevölkerungsschichten Deutschlands ausgeführt werden. Dass es so kommen würde, konnte man erwarten, denn jene, die die Nationalsozialistische Bewegung und die Regierung kontrollieren, haben ihre Ansichten bezüglich der Behandlung der Juden nicht geändert. Ich habe erfahren, dass in der obersten Parteiführung der Kanzler Herr Hitler und der Propagandaminister Dr. Goebbels in dieser Frage unerbittlich sind. Namhafte Amerikaner und Ausländer, die in den vergangenen Monaten Gelegenheit hatten, mit dem Kanzler zu sprechen, und die es für wichtig hielten, ihn von den Ansichten der Außenwelt zur Judenfrage in Kenntnis zu setzen, fanden es, wie mir mitgeteilt wurde, vollkommen unmöglich, diese Frage mit ihm zu erörtern. Versuchten sie irgendwelche Bemerkungen zur Judenfrage zu machen, unterbrach sie der Kanzler und trug seinen Standpunkt vor, der, so wird mir aus verlässlicher Quelle berichtet, sich vom Anfang an nicht geändert hat. Aus verlässlichen und vertraulichen Quellen habe ich auch erfahren, dass selbst der dem Kanzler am nächsten stehende Wirtschaftsberater Herr Keppler, der Handelsminister Dr. Schmitt und der Reichsbankpräsident Dr. Schacht über diese Frage nicht mit dem Kanzler sprechen können; sobald sie versuchen, ihm bestimmte Standpunkte zu diesem Thema vorzulegen, weigert er sich, sie anzuhören. Diese Information beziehe ich aus so glaubwürdigen Quellen, dass ich sie für gesichert halten kann. Dr. Goebbels, der Propagandaminister, der immer noch der wichtigste Regierungssprecher für die Judenfrage ist, ist zwar bereit anderen zuzuhören, äußert sich jedoch nicht und hat seine Meinung anscheinend bisher auch nicht geändert. Meine Gespräche mit verschiedenen der Regierung und der Partei nahe stehenden Personen, von denen manche verantwortungsvolle Positionen in den verschiedenen Ministerien bekleiden, haben mir den Eindruck vermittelt, dass sie über eine mildere Judenpolitik froh wären; es ist aber offensichtlich, dass sie machtlos sind, solange die oberste Parteiführung nicht von ihrer Haltung abweicht.

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