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Protestmarsch in Bonn (12. Oktober 1981)

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Viele Geschäfte, vor allem Juweliere und Moden- und Pelzgeschäfte, haben nicht nur geschlossen. Ihre Schaufenster sind zum Teil auch mit Brettern gegen etwaige Steinwürfe geschützt. Auf die Bretter spritzen Demonstranten ihre Kommentare. Einer lautet: „Lieber Geschäftsfreund, auch eine zweite Holzwand nützt nichts, wenn die Neutronenbombe fällt." Ein Autofahrer, der für seinen Wagen vor der Haustür kein sicheres Plätzchen mehr fand, hat zur Sicherheit einen Zettel an die Windschutzscheibe geklemmt: „Gewerkschafter für den Frieden". Einige, die hier marschieren, wollen mit dem, was sie vorhaben, wohl noch etwas warten. An der Parfümerie Douglas, Kaiserplatz, liest man Sprüche wie: „Ihr habt die Macht, wir haben die Nacht" oder „Gut Holz, wer hat Angst vor dem ersten Stein".

Musik überall. Irische Folkmusik mit Dudelsack, Arbeiterlieder, Chansons. Plötzlich, alles übertönend: „Völker, hört die Signale". Das Lied der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung „We shall overcome". Junge DKP-Leute versuchen mitzusingen, aber sie kennen offenbar den Text nicht.

Die Reden bei der Hauptveranstaltung sind für viele akustisch kaum verständlich. Überhaupt kommt bei denen, die den Hofgarten nicht mehr erreichen, so etwas wie gemeinsame Hochstimmung nicht auf. Doch auch die, die überhaupt nichts mitbekamen und schließlich vor dem Regen in ein Lokal geflüchtet waren, sind eigentlich nicht enttäuscht. Sie hatten halbwegs damit gerechnet: „Das ist doch gar nicht so wichtig. Hauptsache, daß so viele gekommen sind, das ist doch schon toll."

Prominenz auf Klappstühlchen. Erhard Eppler, Heinrich Böll, General a. D. Bastian, der vom Ausschluß aus der CSU bedrohte Wehrtheoretiker Mechtersheimer, Professor Gollwitzer, Filmstar und Sänger Harry Belafonte, Doretta King, die Witwe des ermordeten Martin Luther King. Petra Kelly, die Bundesvorsitzende der Grünen, fordert in ihrer Ansprache Bundeskanzler Schmidt zum Rücktritt auf und ruft Eppler sozusagen zum neuen Kanzler aus. Eppler faltet in diesem Moment die Hände in Kinnhöhe und verdreht die Augen nach oben. Der einzige Redner, der da oben in kreischende Demagogie verfällt, ist – Uta Ranke-Heinemann, die Tochter des früheren Bundespräsidenten. Ein peinlicher Auftritt: „Unsere Politiker merken nicht, daß sie wahnsinnig sind. Wir wollen keinen Opfertod für fremden Größenwahn."

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