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Opposition innerhalb der SPD (19. Juni 1915)

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Nachdem die Eroberungspläne vor aller Welt offenkundig sind, hat die Sozialdemokratie die volle Freiheit, ihren gegensätzlichen Standpunkt in nachdrücklicher Weise geltend zu machen, und die gegebene Situation macht aus der Freiheit eine Pflicht. Das Proletariat erwartet sicherlich, daß ebenso wie im Jahre 1870 sich bei einer ähnlichen Situation alle Sozialdemokraten, trotz ihrer Meinungsverschiedenheiten beim Ausbruch des Krieges, zu einem einmütigen Handeln zusammenfanden, die Sozialdemokratie auch jetzt in gleicher Einmütigkeit zusammenstehen wird.

Wir wissen, daß die Friedensbedingungen, die von einer Seite der Kriegführenden der anderen aufgezwungen werden, keinen wirklichen Frieden bringen, sondern nur neue Rüstungen mit dem Ausblick auf neuen Krieg bedeuten. Ein wirklicher und dauernder Friede ist nur möglich auf der Grundlage freier Vereinbarung. Diese Grundlage zu schaffen, ist nicht der Sozialdemokratie eines einzelnen Landes gegeben. Aber jede einzelne Partei kann nach Maßgabe ihrer Stellung und ihrer Kräfte dazu beitragen, daß diese Grundlage hergestellt wird.

Die gegenwärtige Gestaltung der Dinge ruft die deutsche Sozialdemokratie auf, einen entscheidenden Schritt zu diesem Ziele zu tun. Sie ist heute vor die Wahl gestellt, diesem Gebote Folge zu leisten oder dem Vertrauen einen tödlichen Stoß zu versetzen, das sie bisher im deutschen Volke und in der gesamten Welt als Verfechterin des Völkerfriedens genoß.

Wir zweifeln nicht, daß unsere Partei diejenigen Folgerungen ziehen wird, die sich für unsere parlamentarische und außerparlamentarische Haltung hieraus ergeben. Mit den schönsten Überlieferungen der Sozialdemokratie steht die Zukunft unseres Volkes auf dem Spiel, seine Wohlfahrt und seine Freiheit. Hat unsere Partei nicht die Macht, die Entscheidungen zu treffen, so fällt doch uns die Aufgabe zu, als treibende Kraft die Politik in der Richtung vorwärtszudrängen, die wir als die richtige erkannt haben.

Eduard Bernstein
Hugo Haase
Karl Kautsky



Quelle: Eugen Prager, Geschichte der USPD: Entstehung und Entwicklung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Berlin, 1921, S. 72-74.

Abgedruckt in Wolfdieter Bihl, Deutsche Quellen zur Geschichte des Ersten Weltkrieges. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1991, S. 118-21.

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