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Sozialstaat in der Krise (27. Juli 1981)

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Die so tönen, übersehen, daß über Jahre hinweg versäumt wurde, ein System zu reformieren, das mit ungeheurem Aufwand geradezu abenteuerliche Verteilungs-Ungerechtigkeiten finanziert.

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Die politische Elite der Bundesrepublik glaubt ihre eigene Position, wie das demokratische System insgesamt, am besten gesichert, wenn der von ihr geführte Staat nur immer ordentlich Schecks verteilt. Es gelte, den „sozialen Frieden" zu wahren, führen die Verteidiger der bundesrepublikanischen Verteilungsdemokratie an. Sie unterstellen damit, daß der Abbau sozialer Leistungen – auch solcher, die sich nur schwerlich begründen lassen – zu einem folgenschweren Vertrauensschwund der Bürger in den Staat führe, daß letztlich darüber gar die demokratische Ordnung zerbrechen könne.

Immer wieder beschwört Kanzler Helmut Schmidt die Unregierbarkeit westlicher Industriestaaten und meint, die Bürger seien nur dann der Demokratie gewogen, wenn der Staat ihre überzogenen Ansprüche erfüllt: das Gemeinwesen als „eine Art Aktiengesellschaft, an der man beteiligt ist und deren Bewertung sich nach der Dividende richtet, die sie ausschüttet" (so Peter Grubbe in seinem „Report über den deutschen Bürgersinn").

Bleiben die Dividenden aus, wirtschaftet das Unternehmen mit Verlust, dann brennt es angeblich im Ruhrgebiet, dann lehnen sich die Beamten auf, ist die Demokratie nicht mehr zu retten. Kleinmut oder geschärfter Realitätssinn der Demokraten?

Unbestreitbar ist, daß die Stabilität eines politischen Systems zu einem Gutteil von der materiellen Versorgung und der sozialen Sicherheit abhängig ist, die es gewähren kann. Dies gilt für Demokratien wie für Diktaturen jedweder Schattierung.

Bestritten werden darf jedoch, daß die politische Ordnung der Bundesrepublik nur Bestand haben kann, wenn auch zukünftig bestens verdienende Eltern eines einzigen Kindes 50 Mark Kindergeld im Monat beziehen, wenn Beamte mittels einer absurden Regelung aus dem Krankfeiern noch einen staatlich finanzierten Gewinn schlagen, wenn Müttern mittels Mutterschaftsurlaub das Zusammensein mit ihrem Neugeborenen durch staatliche Alimentation ermöglicht wird.

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Quelle: „Die Helden sind ohne Ideen,“ Der Spiegel, 27. Juli 1981, S. 30-42.

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