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Die FDP wird hofiert und diskutiert ihre Optionen (30. September 1969)

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Zweitens: Der, wie Sie wissen, in der CDU ziemlich maßgebende Landesvorsitzende von Baden-Württemberg, Herr Klaus Scheufelen, hat mir in der Wahlnacht im Auftrage des Bundeskanzlers mitgeteilt – mir als Präsidiumsmitglied zur Weitergabe –, daß die CDU entschlossen sei, eine Koalition mit uns zu machen. Ich habe auch das lediglich zur Kenntnis genommen.

Heute früh um halb acht Uhr bin ich hier in Bonn im Hotel von Herrn Scheufelen erneut angerufen worden. Herr Scheufelen hat mir im Auftrage des Bundeskanzlers mitgeteilt, daß die CDU großzügige Angebote machen werde; Herr Scheel habe ja gesagt, wir könnten unter Umständen erst zu einer Verhandlung kommen, wenn die heutigen Gremien getagt haben; aber er wolle mir für diese Gremien mitgeben, daß der Bundeskanzler ihn beauftragt habe, mir zu sagen: Sie werden großzügige Angebote machen, unter anderem langfristige, über die Legislaturperiode hinausgehende Koalitionsabmachungen für Bund und Länder, und der Herr Bundeskanzler sei bereit, mich heute um 9.00 Uhr zu empfangen. Ich habe gesagt: Herr Scheufelen, ich nehme Ihre Mitteilung zur Kenntnis und werde sie unseren Gremien mitteilen; weil ich Ihnen glaube, daß er Sie beauftragt hat, mir das mitzuteilen; das braucht er mir nicht noch zu bestätigen. – Darauf war das Gespräch beendet.

Vors. Scheel: Ich werde noch weiter berichten lassen, aber wir sollten uns vielleicht tatsächlich zunächst darüber klar werden, ob wir nicht jemand offiziell beauftragen, einen solchen Kontakt mit der CDU wahrzunehmen, damit offiziell Informationen gegeben werden können, die auch für unsere Beratungen von Bedeutung sein werden. – Jetzt berichtet Herr Mischnick über sein Gespräch mit SPD-Mitgliedern.

Mischnick: In der Wahlnacht zwischen zehn, und halb elf Uhr, als ich vom Bonner Talweg ins Bundeshaus zurückkehrte und mich mit den Kollegen Rubin und Hoppe unterhielt, was nun geschehen sollte, kam Herr Wischnewski und bat um ein Gespräch. Ich habe das Gespräch mit Herrn Wischnewski geführt. Er fragte, ob jemand bereit sein, wer auch immer, zu Herrn Moeller zu kommen, um mit ihm darüber zu reden, wie die Situation sei. Ich habe daraufhin den Parteivorsitzenden unterrichtet und ihn gefragt, was er davon hielte und ob er selbst mitkommen wolle. – Der Parteivorsitzende sagte nein; er würde mir raten, das Gespräch allein zu führen, vielleicht mit Genscher zusammen, wenn er zu erreichen sei. Das gelang nicht. Ich bin dann mit den Kollegen Hoppe und Rubin dort hingefahren. Es waren versammelt die Herren Moeller, Wischnewski und Kühn. Man erklärte, daß die SPD den Bundeskanzler stellen wolle und daß sie bereit sei, anzutreten und mit uns zu verhandeln; sie wolle aber vorher uns das mitteilen, um uns zu fragen, ob wir Bedenken hätten, daß so etwas überhaupt gesagt würde.

Ich habe versucht den Parteivorsitzenden zu erreichen. Das war leider nicht möglich, weil er besetzt war. Hinterher stellte sich heraus, daß Herr Brandt unmittelbar angerufen hatte, um den Parteivorsitzenden davon zu unterrichten, daß er die Absicht habe, das zu sagen. – Das passierte dann während des Gesprächs, das wir führten. – Von den drei Vertretern der SPD wurde dabei zum Ausdruck gebracht, daß sie nicht nur bereit, sondern willens seien, die Koalition mit uns abzuschließen, wenn eine gemeinsame Basis zu finden sei; sie seien der Auffassung, daß eine Fortsetzung der Grossen Koalition nach diesem Wahlergebnis nicht in Betracht käme, und sie würden sie staatspolitisch für bedenklich halten; deshalb: Sie treten an, und es liege an uns, ob wir bereit seien, auch anzutreten. – Das war das Gespräch mit der SPD in der Wahlnacht.

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