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Amerikanische Forderung nach dem Abriss der Mauer (12. Juni 1987)

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Im Frühjahr 1945, als die Berliner aus ihren Luftschutzbunkern heraustraten, fanden sie Verwüstung vor. Tausende von Kilometern entfernt bot das Volk der Vereinigten Staaten seine Hilfe an; und im Jahr 1947 verkündete Außenminister George Marshall die Schaffung dessen, was als Marshall-Plan bekannt werden sollte. In diesem Monat vor genau vierzig Jahren erklärte er: „Unsere Politik richtet sich nicht gegen irgendein Land oder irgendeine Doktrin, sondern gegen Hunger, Armut, Verzweiflung und Chaos”.

Gerade sah ich im Reichstag eine Tafel, die an diesen 40. Jahrestag des Marshall-Plans erinnerte. Ich war beeindruckt von diesem Schild auf einem alten, verfallenen Gebäudeteil, der gerade wiederaufgebaut wurde. Ich weiß, daß Berliner meiner Generation sich daran erinnern können, solche Schilder im gesamten Westsektor der Stadt gesehen zu haben. Auf dem Schild steht ganz einfach: „Hier hilft der Marshall-Plan. Zur Stärkung der freien Welt”. Eine starke und freie Welt – im Westen ist dieser Traum Wirklichkeit geworden. Japan erhob sich aus den Trümmern zu einer gigantischen Wirtschaftsmacht. Frankreich, Italien, Belgien – nahezu jede Nation Westeuropas erlebte eine politische und wirtschaftliche Wiedergeburt. Die Europäische Gemeinschaft wurde gegründet. Im Westen Deutschlands und hier in Berlin wurden Wunder vollbracht, das „Wirtschaftswunder” fand statt. Adenauer, Erhart, Reuter und andere Politiker wußten um die praktische Bedeutung der Freiheit – daß nur wenn dem Journalisten Redefreiheit eingeräumt wird, die Wahrheit gedeihen kann, nur wenn Landwirte und Geschäftsleute wirtschaftliche Freiheit genießen, kann Wohlstand entstehen. Die deutschen Politiker setzten die Zölle herab, entwickelten den freien Handel und senkten die Steuern. Allein in den Jahren 1950 bis 1960 verdoppelte sich der Lebensstandard in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin.

Wo vor vier Jahrzehnten nur Trümmer lagen, haben jetzt die Westsektoren Berlins die umfangreichste industrielle Produktion aller Städte in Deutschland; Bürotürme, schöne Wohnanlagen und Siedlungen; prächtige Straßen und ausgedehnte Parks. Wo die Kultur einer Stadt zerstört zu sein schien, gibt es heute zwei große Universitäten, Orchester und eine Oper, zahllose Theater und Museen. Wo einst Bedarf bestand, herrscht heute Fülle – Lebensmittel, Kleider, Autos, die wunderbare Warenwelt des Ku’damm. Aus der Zerstörung – aus bloßen Ruinen – haben Sie, die Berliner, in Freiheit eine Stadt wiederaufgebaut, die wiederum als eine der großartigsten der Erde einzuordnen ist. Die Sowjets mögen andere Pläne gehabt haben. Aber meine Freunde, es gab einige Dinge, die die Sowjets nicht berücksichtigten: Berliner Herz, Berliner Humor und Berliner Schnauze.

In den fünfziger Jahren prophezeite Chruschtschow: „Wir werden Euch begraben”. Aber heute erblicken wir im Westen eine freie Welt, die ein Niveau an Wohlstand und Wohlergehen erlangt hat, die in der Geschichte ihresgleichen sucht. Die kommunistische Welt leidet unter Fehlschlägen, technologischer Rückständigkeit, einer Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustandes. Sogar eines der wichtigsten Grundbedürfnisse wird nicht befriedigt – Lebensmittel. Noch heute kann sich die Sowjetunion nicht selbst ernähren. Nach vier Jahrzehnten ist nun für die gesamte Welt klar: Freiheit führt zu Wohlstand. Freiheit ersetzt den Völkerhaß durch Einvernehmen und Frieden. Freiheit siegt.

Jetzt wird den Sowjets auch allmählich die Bedeutung der Freiheit klar. Aus Moskau ist viel von einer neuen Politik der Reform und Offenheit zu vernehmen. Einige politische Gefangene sind freigelassen worden. Bestimmte ausländische Nachrichtensendungen werden nicht länger gestört. Manche Wirtschaftsunternehmen können jetzt freier von staatlicher Kontrolle operieren.

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