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Germanisierungspolitik: Ansprache Ludwik Jazdzewskis in der Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses (15. Januar 1901)

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Meine Herren, vor Gericht darf kein Pole seine Sache in eigener Sprache vertreten: vor den Verwaltungsbehörden findet er kein Gehör in seiner Muttersprache. Kurz und gut, auf jedem Gebiet wird der Pole zurückgedrängt, auf jedem Schritt und Tritt wird er gekränkt; und nachdem das tagtäglich geschieht, klagt man über Agitation, über Unrahe und über eine polnische Gefahr und spricht von der Bedrängung des Deutschtums!

Meine Herren, nun die Schule! Ist denn bei uns die Volksschule ein Bildungsinstitut, eine Bildungsanstalt im erhabenen Sinne des Wortes? Nein, sie ist geradezu eine Verbildungsanstalt, sie ist nichts weiter wie ein Abrichtungsinstitut. Den Vorwurf muß ich der Schulverwaltung in der schärfsten Weise entgegenhalten, daß sie nicht dafür Sorge trägt, was ihre Pflicht und Schuldigkeit ist, daß der Bevölkerung ihre Muttersprache, die Sprache der Familie und der Kirche, in der Schule nicht gehörig beigebracht wird, daß das polnische Kind in der Volksschule meistens nicht einmal leidlich polnisch lesen und schreiben lernen kann. Meine Herren, das sind alles Zustände, die die polnische Bevölkerung tagtäglich vor Augen hat, und mit welchen sie tagtäglich in Berührung kommt; und da spricht nun das angezogene Ministerialorgan von einer durch Agitation gezeitigten polnischen Gefahr! Diese polnische Gefahr haben Sie sich, meine Herren am Ministertische, selbst heraufbeschworen und großgezogen. Sie ist ihr eigenstes Werk.



Quelle: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Hauses der Abgeordneten, 19 LP, III Sitzung, 1. Band, S. 173-74.

Auch abgedruckt in Willibald Gutsche, Hg., Herrschaftsmethoden des deutschen Imperialismus 1897/98 bis 1917: Dokumente zur Innen- und Außenpolitik. Berlin (Ost): Akademie Verlag, 1977, S. 74-76.

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