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Caligula. Eine Studie über römischen Cäsarenwahnsinn von Ludwig Quidde (1894)

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So waren in dem schon so verrotteten römischen Staatsleben Vorbedingungen für die Entwicklung des Cäsarenwahnsinns reichlich gegeben. Dabei war Caligula beiderseits erblich belastet (man denke an Julia, deren Sohn Gajus und an seines Großoheims Tiberius' letzte Jahre), und auch der Umstand, daß er so jung zur Herrschaft gelangte, mußte alle vorhandenen Keime üppig emporschießen lassen, da das schroffe Mißverhältnis zwischen äußerer Stellung und innerer Berechtigung auf seinen jugendlichen, von jeher zu Exzessen jeder Art geneigten Geist wie Gift einwirkte.

In wirklichen Wahnsinn ist Caligula trotzdem erst nach einer schweren Krankheit verfallen, von der er zu seinem und des Volkes Unglück genas; aber man wird sagen dürfen, daß diese Krankheit aller Wahrscheinlichkeit nach die Entwicklung nur beschleunigt hat, denn die deutlichen Ansätze dazu waren schon vorher vorhanden, und die ungünstig wirkenden äußeren Faktoren, die dieselben fördern mußten, waren von seiner kaiserlichen Stellung im damaligen Rom nicht zu trennen.

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Das Bild des Cäsarenwahnsinns, das uns Caligula darbietet, ist geradezu typisch. Fast alle Erscheinungen, die wir sonst bei verschiedenen Herrschern antreffen, sind in ihm vereinigt, und wenn wir die scheinbar gesunden Anfänge mit der schauerlich raschen Steigerung zu den äußersten Exzessen zusammenhalten, so gewinnen wir auch ein Bild von der Entwicklung der Krankheit.

Eine Erscheinung, die an sich noch nicht krankhaft zu sein braucht, in der sich aber, wenn man sie mit den übrigen Symptomen zusammenhält, der Größenwahn schon früh bei Caligula ankündigt, ist die ungemessene Prunk- und Verschwendungssucht, ein Charakterzug fast aller Fürsten, die das gesunde Urteil über die Grenzen ihrer eigenen Stellung verlieren, von orientalischen Despoten bis auf gewisse Träger der Tiara, bis auf die beiden französischen Ludwige und ihre deutschen Nachahmer, eine Reihe, die in dem unglücklichen Bayernkönig vorläufig ihren letzten berühmten Vertreter gefunden hat. Nach kurzer Zeit war nicht nur der sehr bedeutende Schatz, den der sparsame alte Kaiser hinterlassen hatte, verbraucht (22), sondern man mußte auch zu sehr bedenklichen Mitteln greifen, um die Einnahmen zu steigern und die Schulden zu decken (23) . Die eben abgeschafften Steuern wurden wieder eingeführt, neue, zum Teil sehr drückenden oder schimpflichen Charakters, kamen hinzu, die Justiz wurde mißbraucht, um dem Schatz Strafen und konfiszierte Vermögen zuzuführen, und schließlich ward der Grundsatz proklamiert, daß das Vermögen der Unterthanen zur Verfügung des Fürsten sei (24) .


(22) Sueton 37. Dio Cassius 59, 2.
(23) Sueton 38. Dio Cassius 59, 15 und 18.
(24) Suetonius 47.

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