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4. Wirtschaft und Arbeit
Druckfassung

1. Staat und Regierung   |   1.A. Staatenbund oder Nationalstaat?   |   1.B. Autoritäre Herrschaft oder Verfassungsstaat?   |   1.C. Emanzipation der Juden   |   2. Parteien und Organisationen   |   3. Militär und Krieg   |   4. Wirtschaft und Arbeit   |   5. Natur und Umwelt   |   6. Geschlecht, Familie, und Generationen   |   7. Regionen, Städte, Landschaften   |   8. Religion   |   9. Literatur, Kunst, Musik   |   10. Die Kultur der Eliten und des Volkes   |   11. Wissenschaft und Bildung

Wiederholte wirtschaftliche Krisen und die zunehmende Verarmung weiter Bevölkerungsschichten diskreditierten insbesondere in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Vorstellungen zur wirtschaftlichen Deregulierung. Der Ökonom Friedrich Bülau (1805-1859), Professor für Staatswissenschaft an der Universität Leipzig, behauptete 1834, dass die zeitgenössischen Erklärungsversuche der wachsenden Armut in Deutschland während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Einfluss des Marktes auf Lebensstandards nicht ausreichend berücksichtigten. Er befürwortete marktwirtschaftliche Regelungen im Bereich der Landwirtschaft, des Handels und bei der Armenfürsorge, in denen er ein Mittel zur Lösung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten Deutschlands sah.

Doch selbst Vertreter des Freihandels zweifelten daran. In dem hier präsentierten Auszug aus dem Artikel „Gewerbe- und Fabrikwesen“ des Staats-Lexikons von Rotteck und Welcker wurden die Zünfte entschieden abgelehnt und die Durchsetzung der Gewerbefreiheit gefordert. Jedoch kam der Autor nicht umhin zu bemerken, dass ein freier Arbeitsmarkt zur Dominanz der Großunternehmer gegenüber den kleineren Gewerbetreibenden zu führen scheine. Da er jegliche staatliche Intervention ablehnte, meinte er die Lösung dieses Problems in freiwilligen Vereinigungen, Genossenschaften und in Bildungsanstrengungen zu erkennen – Vorstellungen, die unter deutschen Befürwortern der freien Marktwirtschaft breite Zustimmung fanden, wie die Auszüge aus Böhmerts Aufsatz zur Gewerbefreiheit haben erkennen lassen.

Einer der bekanntesten Kritiker des Freihandels war der Journalist und Ökonom Friedrich List (1789-1846). In Das Nationale System der politischen Oekonomie, seinem berühmtesten Werk, das 1841 verfasst wurde und hier in Auszügen wiedergegeben wird, kritisierte List Adam Smith und seine Schüler. List führte an, dass vom Freihandel zwischen den Nationen vor allem wirtschaftlich und industriell hoch entwickelte Länder wie Großbritannien profitierten, während industriell weniger fortgeschrittene Länder wie Deutschland benachteiligt würden. Solche Länder sollten Schutzzölle für Fertigwaren einführen, um ihre Produktionskapazitäten auszubauen zu können. Allgemein trat List für eine spezifisch nationale Sicht ökonomischer Entwicklungen ein und empfahl politische Maßnahmen zur Verbesserung der Qualifikation der Arbeiterschaft, um dadurch die ökonomische Entwicklung zu fördern. Lists Ideen waren im 19. Jahrhundert in Deutschland sehr einflussreich; heutzutage werden seine Arbeiten mit großem Interesse in Ostasien gelesen.

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