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4. Konfessionen
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C. Dreißigjähriger Krieg

Die religiöse Spaltung hatte fast seit ihrem Beginn die Bildung politisch-militärischer Bündnisse zwischen Reichsfürsten und Reichsstädten befördert. Während sie formal den traditionellen deutschen Bündnissen ähnelten, war deren Hauptziel, die Verteidigung ihres Glaubens, seit den Hussitenkriegen nicht mehr angeführt worden. 1531 schlossen die protestantischen Stände den Schmalkaldischen Bund, der bis zu seiner Niederlage gegen die kaiserlichen Truppen 1547 bestand. Im 17. Jahrhundert begann eine Reihe von inneren politischen Krisen, bei denen es im Wesentlichen entweder um die Interpretation oder die Durchsetzung der Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens ging, die convivencia im Reich zu untergraben. In den Jahren 1608-09, kurz nach dem osmanischen Frieden, entstanden militärische Bündnisse auf der Grundlage konfessioneller Solidarität. Der protestantische Sonderbund im Reich aus Fürsten und Reichsstädten wurde im Mai 1608 gegründet; acht Monate später entstand unter bayrischer Führung der katholische Sonderbund. Dies fiel jedoch mit dem Beginn des Zwölfjährigen Waffenstillstands (1609-21) zwischen der spanischen Krone und den Vereinigten Provinzen der holländischen Aufständischen zusammen.

Währenddessen wuchsen in den habsburgischen Ländern die Konflikte zwischen den katholischen Herrschern und dem mehr oder weniger überzeugt protestantischen (in Böhmen auch hussitischen) Adel. In Ober- und Niederösterreich gärten die Spannungen, obgleich der protestantische Einfluss dort seinen Höhepunkt bereits überschritten hatte. Im Königreich Böhmen dagegen geriet die Situation in Bewegung. Im Jahr 1617 gelang es Kaiser Matthias, seinen Erben, Ferdinand von der Steiermark, zum König von Böhmen und Ungarn wählen zu lassen, obwohl dessen Ruf als aggressiver katholischer Gegenreformer die hussitischen und protestantischen Oberhäupter entweder zu Gegnern seiner Thronfolge oder zumindest misstrauisch machte. Als der neue Kronprinz seine Bevollmächtigten nach Prag entsandte, um dort in seiner Abwesenheit die Regierungsgeschäfte zu übernehmen, warfen eine Gruppe von hussitischen Adligen sie aus einem Fenster der Prager Burg. Dieser stark symbolisch aufgeladene „Fenstersturz“, welcher eine Wiederholung eines ähnlichen Geschehens während der Hussitenkriege des 15. Jahrhunderts darstellte, wurde zum Auslöser des böhmischen Aufstands. In der Folge wurde Ferdinand abgesetzt (Matthias lebte noch) und an seiner Stelle der pfälzische Kurfürst Friedrich V. (1596-1632), der wegen seiner kurzen Regentschaft als „Winterkönig“ bekannt wurde, zum König gewählt.

Als deutscher Bürgerkrieg betrachtet, lässt sich der Dreißigjährige Krieg in drei Phasen aufteilen: erstens die katholischen Siege von 1618-29; zweitens die schwedische Invasion und der Prager Friede (1630-35) zwischen dem Kaiser und dem Großteil der Reichsstände; und drittens der militärische Patt von der französischen Invasion bis zum Westfälischen Frieden (1635-1648). Im ersten Jahrzehnt des Krieges schlugen die katholischen/kaiserlichen Truppen die protestantischen Streitkräfte und besetzten einen Großteil Norddeutschlands (1618-29). Im März 1629 erreichte der katholische Vormarsch seinen Höhepunkt, als Kaiser Ferdinand II. (reg. 1616-37) das Restitutionsedikt erließ. Es bestimmte die Rückgabe aller Bistümer, Klöster und kirchlichen Ländereien, welche die Protestanten seit 1552 säkularisiert hatten. Einige Ländereien wurden tatsächlich übergeben, doch hing die Durchsetzungskraft des Edikts von den militärischen Erfolgen der katholischen Truppen ab.

Der Siegeszug der Katholiken, welcher eine Stärkung der Habsburger sowie der katholischen Monarchie anzukündigen schien, veranlasste König Gustav Adolf (1594-1632) dazu, seine schwedische Armee nach Pommern zu entsenden, um, wie er sagte, den protestantischen Fürsten und Völkern zu Hilfe zu kommen. Sein Glück war erheblich, jedoch nur von kurzer Dauer. Nachdem er die katholischen Truppen bei Breitenfeld in Sachsen geschlagen hatte, drang der „Löwe aus dem Norden“ 1631 nach Süden vor, um die dortigen wohlhabenden kirchlichen Ländereien sowie das Herzogtum Bayern zu erobern. Nach seinem Tod auf dem Schlachtfeld im darauf folgenden Jahr wurden Friedensverhandlungen zwischen dem Kaiser und einigen Reichsständen aufgenommen, welche zu einer annähernden Widerherstellung der Reichsregierung führten (Prager Frieden, 1635). Dieses wiederum führte zu einer französischen Invasion, welche den Mittelpunkt der Kampfhandlungen nach Westen zum Rhein hin verlagerte.

Einer der Faktoren, die den militärischen Stillstand des Zeitraums zwischen 1635 und 1648 beeinflussten, war die Verhärtung des religiösen Hasses. Das wohl berüchtigtste Ereignis spielte sich im Mai 1631 im strategisch wichtigen Magdeburg ab, wo die katholischen Truppen in die Stadt einfielen, sie plünderten und (womöglich absichtlich) in Brand steckten. Die überlebenden Bürger – Magdeburg zählte derzeit etwa 30.000 Seelen – flohen aus der Stadt, nur um anschließend Untergang und Tod zu erleiden. Über 250 Rundbriefe verbreiteten die Nachricht der Zerstörung der Stadt und nährten die Empörung der Protestanten sowie deren Entschlossenheit, es den Katholiken mit „Magdeburger Quartier“ heimzuzahlen, d.h. ohne Gnade für die Überlebenden. Für die einfache Landbevölkerung war die schlimmste Last jedoch nicht die Glaubensspaltung, sondern der nicht abreißende Versorgungsbedarf der Truppen, den diesie nur durch Plünderung der Bauern stillen konnten. Während die Vorstellung des Dreißigjährigen Krieges als einer einzigartigen deutschen Katastrophe erst viel später entstand, ist das Bild eines mörderischen Krieges der Soldaten gegen die Bauern, der von einigen großen Schlachten unterbrochen wurde, realistisch genug. Die Geschichte wurde durch den schwäbischen Schuhmacher Hans Heberle realistisch beschrieben und durch den hessischen Schriftsteller H.C.J. Grimmelshausen (1621-79) in seinem Abenteuerlichen Simplicissimus (1668) ergreifend literarisch bearbeitet. Zwar mag man Grimmelshausens Realismus in Frage stellen, doch bezweifelt niemand, dass der Krieg durch Plünderung, Hungersnot und Krankheiten eine verheerende Zerstörung anrichtete. Es sollte zwei Generationen dauern, bevor die Verluste an Bevölkerung, Vieh und Gerätschaften ausgeglichen waren, ganz zu schweigen von denjenigen in Produktion und Handel.

Der Westfälische Frieden, der die Kampfhandlungen beendete, bestand aus zwei am selben Tag unterzeichneten Verträgen zwischen dem Kaiser und seinen Verbündeten und der schwedischen Königin und deren Verbündeten in Osnabrück sowie zwischen dem Kaiser und seinen Verbündeten und dem französischen König und dessen Verbündeten in Münster. Für die deutsche Seite waren die wichtigsten darin enthaltenen Artikel diejenigen, welche die Reichsverfassung und den Religionsfrieden wiederherstellten. Das Heilige Römische Reich würde in seiner alten Form als Monarchie mit eingeschränkten Gewalten, die gemeinsam mit dem deutschen Adel regiert wird, fortbestehen. Der Frieden bestätigte die konfessionelle Parität – der reformierte Glaube wurde endlich anerkannt – in den Kollegien des Reiches; Besitz von und Einkünfte aus kirchlichem Landbesitz wurden mit Stand vom 1. Januar 1624 anerkannt, und die Reichsstände verloren das Recht, ihre Untertanen zur religiösen Konformität zu zwingen. In Westfalen wurden zwei Träume gleichzeitig zu Grabe getragen, denn das Reich wurde weder zu einer absolutistischen katholischen Monarchie noch zu einer nationalen protestantischen.



Thomas A. Brady Jr. und Ellen Yutzy Glebe

Übersetzung: Insa Kummer


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