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7. Die Originalität der deutschen Aufklärung
Druckfassung

1. Die Konturen des Alltagslebens   |   2. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation   |   3. Macht und Herrschaft im deutschen Territorialfürstentum: Der Ständestaat   |   4. Die Gesellschaftsordnung   |   5. Das Wirtschaftsleben   |   6. Kulturelles Leben im Anschluss an den Dreißigjährigen Krieg   |   7. Die Originalität der deutschen Aufklärung   |   8. Spannungen der Spätaufklärung   |   9. Schlußbemerkungen: Drei Geisteshaltungen des Zeitalters   |   10. Kurzbibliographie zusammenfassender Werke und allgemeiner Darstellungen zur deutschen Geschichte


Die Romantik reiht sich mit der deutschen Aufklärung, dem philosophischen Idealismus (wie die hegelsche Tradition genannt wird) und dem frühen Nationalismus ein als die vierte große Blüte der Kultur im 18. Jahrhundert. Sie brachte eine Emotionalität und Subjektivität zum Ausdruck, die der protestantische Pietismus und der barocke Katholizismus zuvor aufgewertet hatten. Sie schöpfte, besonders in der genialen Dichtkunst und Prosa Goethes, aus der Errungenschaft einer eigenständigen Modernität der deutschen Sprache im 18. Jahrhundert. Der junge Goethe erlangte weithin Berühmtheit als die unwiderstehliche Stimme der frühen Romantik, und wenngleich er später die Romantik zu überwinden suchte, reifte sie in ihm mehr als sie verblasste. Sie koexistierte in seinem und dem Bewusstsein der neben ihm zweiten großen romantischen Überfigur, Friedrich Schiller, mit einer Verehrung für die künstlerische Leistung des klassischen Griechenlands. Diese Errungenschaften riefen, besonders über die Schriften Winckelmanns, einen regelrechten Kult der griechischen Antike unter der deutschen Intelligenz hervor. Die alten Griechen waren ein Spiegel, in den frühe deutsche Nationalisten, ihre historischen Gemeinsamkeiten imaginierend, mit Vorliebe blickten, statt sich der Verehrung Roms anzuschließen, die für die französische und angloamerikanische politische Kultur charakteristisch war.

Die Romantik übernahm die durch die Aufklärung vertretene Betonung der Ansprüche des Einzelnen, befreit von der traditionellen Erbsünde des Christentums, auf „Leben, Freiheit und das Streben nach Glück.“ Doch sie erweiterte außerdem die Bedeutung des Glücks um die Akzeptanz „irrationaler“ Leidenschaft und Begeisterung und die Bedeutung, die im emotionalen Schmerz und selbst im Tod zu entdecken ist. Obwohl sie mehr darstellt als Romantik, drückt die Musik Beethovens diese Erweiterung des ästhetisch-philosophischen Verständnisses aus. Es war nicht schwer für Novalis und andere Romantiker, die im 19. Jahrhunderts auf ihn folgten, den christlichen Glauben wieder zu entdecken, wenn auch häufig auf eigentümliche Weise. Gleichermaßen passte der deutsche Nationalismus wie angegossen zur Romantik. Tatsächlich charakterisierte die Fähigkeit der Romantik zur Verschmelzung mit Ausdrucksformen sowohl des übersteigerten Individualismus wie auch des Kommunitarismus sie zusammen mit dem gesellschaftspolitischen Utopismus als beherrschende Geisteshaltung der Moderne.

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