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4. Die Gesellschaftsordnung
Druckfassung

1. Die Konturen des Alltagslebens   |   2. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation   |   3. Macht und Herrschaft im deutschen Territorialfürstentum: Der Ständestaat   |   4. Die Gesellschaftsordnung   |   5. Das Wirtschaftsleben   |   6. Kulturelles Leben im Anschluss an den Dreißigjährigen Krieg   |   7. Die Originalität der deutschen Aufklärung   |   8. Spannungen der Spätaufklärung   |   9. Schlußbemerkungen: Drei Geisteshaltungen des Zeitalters   |   10. Kurzbibliographie zusammenfassender Werke und allgemeiner Darstellungen zur deutschen Geschichte


Die meisten Stadtbewohner konnten keinen Anspruch auf Bürgerrechte erheben, sondern waren städtische Untertanen ohne politische Stimme. Viele unter ihnen waren Handwerksgesellen, meist junge erwachsene Facharbeiter – unverheiratet, des Lesens und Schreibens mächtig und wilden Streiks und anderen Tumulten nicht abgeneigt. Ebenfalls zahlreich vertreten waren die Bediensteten in den Haushalten der Bürger, darunter junge Lehrlinge, die bei ihren Handwerksmeistern wohnten. Kleine Kaufleute, Transportarbeiter und diverse Angestellte spielten ebenfalls eine Rolle, während am gesellschaftlichen Rand die bedürftigen Armen standen, darunter verwitwete Väter oder Mütter mit Kindern, neben den Entehrten, den Aufrührerischen und den Gesetzlosen. Handwerksgesellen, die Erben alter Traditionen des Ungehorsams, sollten schließlich eine bahnbrechende Phalanx innerhalb der Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts bilden. In der Stadt und auf dem Dorf gleichermaßen hing wohltätige Unterstützung für die „würdigen Armen“ vorwiegend von der Versorgung durch weltliche Behörden im Geburtsort des Empfängers ab, wenngleich auch die protestantischen Kirchen Fürsorge für Arme und Bedürftige leisteten. In den katholischen Gebieten spielten kirchliche Fürsorgeeinrichtungen und individuelle Almosen eine noch größere Rolle.

Die soziale Mobilität ließ Menschen aller Klassen auf- und absteigen. Für die einfachen Leute stellten eine Heirat in Gehöfte mit Grundbesitz, eine Lehre in besser bezahlten Handwerksberufen und eine Möglichkeit, auf die niedere Geistlichkeit hin zu studieren, die verheißungsvollsten Aufstiegschancen dar. Für das Bürgertum und die adlige Klasse waren es begüterte Heiraten und fürstliche Ämter, die zu Höherem führten, manchmal mit Hilfe eines Universitätsstudiums oder unternehmerischer Unerschrockenheit und Fortüne. Unter den einfachen Leuten erfolgte der Abstieg in die Niederungen besonders durch den vorzeitigen Tod des Partners, wenn kleine Kinder vorhanden waren, durch Missernten und Schulden und durch unbesonnene Lebensweise. Für Männer endete dies häufig im Dienst als gesellschaftlich verachtete Söldner und für Frauen in der Prostitution.

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