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I. Aufbau des NS-Regimes
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Überblick   |   I. Aufbau des NS-Regimes   |   II. Der NS-Staat   |   III. SS und Polizei   |   IV. Der organisierte Widerstand   |   V. Rassenpolitik   |   VI. Militär, Außenpolitik und Krieg   |   VII. Arbeit und Wirtschaft   |   VIII. Geschlechterrollen, Familie und Generationen   |   IX. Religion   |   X. Literatur, Kunst und Musik   |   XI. Propaganda und die Öffentlichkeit   |   XII. Region, Stadt und Land   |   XIII. Wissenschaft

Dennoch hatten das Wahlergebnis, der Reichstagsbrand und die Notverordnung Hitler weitere Macht verliehen. Das Protokoll der Kabinettssitzung vom 7. März 1933 zeigt, dass sowohl Hitler als auch Frick van der Lubbe hängen wollten, dies aber im Rahmen des geltenden Rechts nicht konnten, da Brandstiftung rechtmäßig mit Gefängnis bestraft wurde. Um ihr Ziel zu erreichen, fand Frick drei Juraprofessoren, die der Ansicht waren, das Gesetz könne rückwirkend verschärft werden. Hochrangige Bürokraten ohne Parteizugehörigkeit wie Franz Schlegelberger, Staatssekretär im Justizministerium, und der Büroleiter des Reichspräsidenten, Staatssekretär Otto Meissner (der mitgeholfen hatte, Hindenburg dazu zu überreden, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen), waren bereit, bestimmte Zugeständnisse zu machen, doch war ihnen unwohl dabei, ein Gesetz ex post facto zu entwerfen und Präsident Hindenburg so in eine unangenehme Situation zu bringen. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt war Hitler sich jedoch sicher, diese Hindernisse umgehen zu können – und tat es tatsächlich. Die stolze deutsche (und preußische) Tradition des Rechtsstaates ging nun sehr schnell verloren.

Während der nächsten Wochen festigten die Nazis rasch ihre Macht auf verschiedenen Ebenen in einem Prozess, der teilweise geplant, teilweise improvisiert und zum Teil von Parteifunktionären und SA-Männern angestoßen wurde. Einige der Geschehnisse waren von oben geplant – so beispielsweise als sich Hitler über den Widerstand des Reichswirtschaftsministers Dr. Alfred Hugenberg (1865-1951) hinwegsetzte, um das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda einzurichten und den langjährigen Propagandachef der NSDAP, Joseph Goebbels (1897-1945), an dessen Spitze zu setzen. Das neue Ministerium übernahm die Kontrolle über die staatseigenen Radiosender und begann, abweichende politische Meinungen aus allen Medien zu verbannen. Goebbels beherrschte zahlreiche Kommunikationswege und verbreitete über sie eine rhetorische Flut, die den Wählern einerseits Angst vor einer kommunistischen Revolution und andererseits Hoffnung auf ein immer stärker werdendes Deutschland machen sollte.

Zur gleichen Zeit richtete Heinrich Himmler (1900-1945), Reichsführer SS, das erste Konzentrationslager in Dachau außerhalb Münchens ein. Sozialdemokratische und kommunistische Gegner des Regimes wurden von der bayerischen Polizei zusammengetrieben und dorthin geschickt. Von Seiten des Nazi-Fußvolks kam es außerdem zu spontanen Gewaltausbrüchen, als SA-Männer und „Alte Kämpfer“ der Partei versuchten, alte Rechnungen mit Feinden zu begleichen und an sich zu reißen, was sie für die Beute der nationalsozialistischen Revolution hielten. Kommunisten, Sozialdemokraten und Juden waren die hauptsächlichen Ziele ihrer Angriffe. Heutige Historiker studieren immer noch die Quellen, um herauszufinden, ob – und in welchem Maß – die Revolution der Nazis von unten oder oben entstand. Sicher ist jedoch, dass die Nazi-Funktionäre die Gewalt als Vorwand für die Reichsregierung benutzten, um in einigen Ländern die Kontrolle über die Polizei zu übernehmen. Dies war nur ein Element in dem Prozess der Gleichschaltung, durch welchen die Nazis ihre Kontrolle der Reichsregierung auf andere Einflussbereiche ausweiteten.

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